Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
nicht krank«, erklärte Myers. »Sie haben sich nur noch nicht ganz an die Erde gewöhnt, an ihre Schwerkraft und ihre Atmosphäre und die Umwelt. Es ist jetzt drei Uhr fünfzehn morgens; dieser Arzt – Hagopian oder wie er auch immer heißen mag – wird sich jetzt nicht um Sie kümmern können.« Er betrachtete die Karte. Ihr Text lautete:
     
    Dieser Mann steht unter medizinischer Betreuung. Sollte er irgendein ungewöhnliches Verhalten zeigen, sorgen Sie unverzüglich für medizinische Hilfe.
     
    »Irdische Ärzte«, bemerkte sein Kollege, »behandeln ihre Patienten nicht außerhalb der Sprechstunden; Sie werden sich daran gewöhnen müssen, Mister ...« Er streckte die Hand aus. »Zeigen Sie mir bitte Ihren Führerschein.«
    Automatisch reichte ihm der Fahrer die ganze Brieftasche.
    »Gehen Sie nach Hause«, riet Myers dem Mann. Nach dem Führerschein lautete sein Name John Cupertino. »Sind Sie verheiratet? Vielleicht kann Ihre Frau Sie abholen; wir werden Sie bis zur Stadt mitnehmen ... es ist besser, wenn Sie Ihr Auto hier stehenlassen und nicht versuchen, heute nacht noch weiterzufahren. Und was die Geschwindigkeitsüberschreitung betrifft ...«
    Cupertino unterbrach. »Ich bin an eine Geschwindigkeitsbegrenzung nicht gewöhnt. Auf Ganymed gibt es keine Verkehrsprobleme; wir fahren dort mit zweihundert bis zweihundertfünfzig Kilometern in der Stunde.« Seine Stimme besaß einen seltsam matten Klang. Myers dachte mit einemmal an Drogen, insbesondere an Thalamusstimula; Cupertino machte einen vollkommen aufgedrehten Eindruck. Das würde auch die Manipulationen an dem Geschwindigkeitsregler erklären, eine leichte Arbeit für einen Mann, der es gewöhnt war, mit Maschinen umzugehen. Und dennoch ...
    Da steckte mehr dahinter. Das verriet Myers seine zwanzigjährige Berufserfahrung.
    Er klappte das Handschuhfach auf und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Briefe, ein Verzeichnis des Amerikanischen Automobilclubs über empfehlenswerte Hotels ...
    »Sie glauben nicht, daß Sie sich auf der Erde befinden, ist es nicht so, Mr. Cupertino?« stellte Myers fest. Er musterte das Gesicht des Mannes; es war völlig ausdruckslos. »Sie gehören zu diesen ausgeflippten Süchtigen, die das hier alles für eine von Schuldgefühlen und Drogen erzeugte Halluzination halten ... und in Wirklichkeit sind Sie zu Hause auf Ganymed und sitzen im Wohnzimmer Ihres zwanzigräumigen Landsitzes, zweifellos von Ihren autonomen Dienern umgeben, stimmt’s?« Er lachte hart und wandte sich an seinen Kollegen. »Es wächst wild auf Ganymed«, erklärte er. »Dieses Zeug. Frohedadrin, wie der Extrakt genannt wird. Sie zerreiben die getrockneten Stengel, rühren daraus einen Brei, den sie aufkochen, trocknen, filtern und dann zu Zigaretten drehen und rauchen. Und wenn ...«
    »Ich habe noch nie Frohedadrin genommen«, unterbrach John Cupertino widerwillig; er sah starr geradeaus. »Ich weiß, daß ich mich auf der Erde befinde. Aber irgend etwas stimmt nicht mit mir. Schauen Sie.« Er streckte den Arm aus und schob seine Hand durch das dick gepolsterte Armaturenbrett; Offizier Myers erkannte, daß die Hand bis zum Gelenk verschwand. »Haben Sie das gesehen? Für mich ist die Umwelt substanzlos, wie ein Schatten. Sie beide kann ich verschwinden lassen, indem ich einfach meine Aufmerksamkeit von Ihnen wende. Zumindest glaube ich, daß ich das kann. Aber – ich will es nicht!« Qual sprach aus seiner Stimme. »Ich möchte, daß Sie real bleiben; ich möchte, daß alles real bleibt, Dr. Hagopian eingeschlossen.«
    Offizier Myers schaltete sein Halsfunkgerät auf Kanal 2 und sagte: »Verbinden Sie mich mit Dr. Hagopian in San José. Dies ist ein Notfall; lassen Sie sich nicht von dem automatischen Anrufbeantworter abspeisen.«
    Im Empfänger klickte es, während die Verbindung hergestellt wurde.
    Myers blickte seinen Kollegen an. »Sie haben es gesehen. Sie haben gesehen, daß er seine Hand durch das Armaturenbrett geschoben hat. Vielleicht kann er uns tatsächlich verschwinden lassen.« Er spürte nicht das Bedürfnis, dies herauszufinden; er war verwirrt und er wünschte, er hätte Cupertino weiter über die Schnellstraße rasen lassen, wenn nötig bis in die Vergessenheit. Wo immer er auch hinwollte.
    »Ich weiß, was für all das verantwortlich ist«, sagte Cupertino halb zu sich selbst. Er griff nach seinen Zigaretten und setzte eine in Brand; seine Hand zitterte jetzt nicht mehr so stark. »Es ist wegen Carols Tod; Carol war meine

Weitere Kostenlose Bücher