Eine handvoll Dunkelheit
in diesem gesellschaftlichen Umbruch untergehen mußten. Er dachte an die Kunst, die Literatur, die Sitten, die Musik, an alles, das verschwinden würde. Und es schien ihm, daß von all diesen großen und noblen Dingen die Musik wahrscheinlich der größte Verlust war und am schnellsten in Vergessenheit geraten mußte.
Musik ist das vergänglichste aller Dinge, zerbrechlich und kostbar, leicht zu zerstören.
Labyrinth machte sich Sorgen deswegen, denn er liebte Musik, und er haßte die Vorstellung, daß es eines Tages keinen Brahms und keinen Mozart, keine sanfte Kammermusik mehr geben würde, die ihn mit Träumen von gepuderten Perücken, höfischen Verbeugungen und großen, schlanken Kerzen erfüllte, die in der Dämmerung verglühten.
Wie mußte die Welt doch ohne Musik leer und unglücklich sein! Wie öde und unerträglich.
Und so kam ihm die Idee mit der Konservierungsmaschine. Eines Abends, als er im Wohnzimmer in seinem weichen Sessel saß, bei leiser Musik vom Plattenspieler, da überwältigte ihn eine Vision. Ein seltsames Bild zeichnete sich in seinem Innern ab – er sah die letzte Partitur eines Schubert-Trios, das letzte Exemplar, eselsohrig, abgegriffen auf dem Boden eines zerfallenen Gebäudes, vermutlich einem Museum, liegen.
Ein Bomber kreiste am Himmel. Bomben fielen und sprengten das Museum in tausend Teile und ließen die Mauern in einem Donner aus Schutt und Stein einstürzen. Unter den Trümmern verschwand die letzte Partitur, von Schmutz bedeckt, um zu verrotten und zu Staub zu zerfallen.
Und dann sah Doc Labyrinth in seiner Vision, wie die Partitur wieder ans Tageslicht kam, sich wie ein Maulwurf aus der Erde wühlte. Tatsächlich war sie jetzt ein Maulwurf und mit Klauen und scharfen Zähnen und einem unbeugsamen Willen ausgerüstet.
Wenn Musik diese Eigenschaft besäße, den gewöhnlichen, natürlichen Überlebenstrieb, den jeder Wurm und jeder Maulwurf besaß, was für einen Unterschied würde dies doch bedeuten! Wenn man Musik in Lebewesen verwandeln konnte, in Tiere mit Klauen und Zähnen, dann mochte die Musik vielleicht überleben. Wenn man doch nur eine Maschine konstruieren könnte, eine Maschine, die Musikstücke in Lebewesen umformte ...
Aber Doc Labyrinth war kein Techniker. Er machte einige vage Entwürfe und schickte sie hoffnungsvoll an die Forschungslaboratorien. Die meisten waren natürlich zu sehr mit anderen Arbeiten beschäftigt. Aber schließlich fand er die Leute, die er suchte. Eine kleine Universität im mittleren Westen war von seinen Plänen entzückt, und sie waren glücklich, sofort mit der Entwicklung der Maschine beginnen zu können.
Wochen vergingen. Endlich erhielt Labyrinth eine Postkarte von der Universität. Der Bau der Maschine machte gute Fortschritte; tatsächlich war sie sogar fast fertig. Sie hatten einen Versuch gemacht und eine Reihe populärer Lieder eingefüttert. Die Ergebnisse? Zwei kleine, mäuseähnliche Tiere waren herausgekrabbelt und im Laboratorium herumgeflitzt, bis die Katze sie gefangen und gefressen hatte. Aber die Maschine war ein voller Erfolg.
Kurze Zeit später traf sie bei ihm ein, sorgsam in einer Holzkiste verpackt, verschnürt und hoch versichert. Er war sehr aufgeregt, als er sich an die Arbeit machte und die Verpackung entfernte. Viele flüchtige Gedanken müssen ihm durch den Kopf gegangen sein, als er die Kontrollen justierte und alles für die erste Transformation vorbereitete. Er hatte für den Anfang ein unbezahlbares Stück ausgewählt, die Partitur von Mozarts G-Moll-Quintett. Eine Weile blätterte er in dem Notenheft, in Gedanken versunken, weit fort von allem. Schließlich trug er die Blätter zur Maschine und speicherte sie ein.
Zeit verging. Labyrinth stand vor der Maschine und wartete nervös, besorgt und voller Zweifel, was ihm entgegenkommen würde, wenn er die Ausgabekammer öffnete. Es war eine gute und gleichzeitig tragische Arbeit, die er tat, so schien es ihm, indem er die Musik der großen Komponisten für alle Ewigkeit konservierte. Welcher Dank erwartete ihn? Was würde er entdecken? Welche Gestalt würde dieses Stück angenommen haben, wenn der Umwandlungsprozeß abgeschlossen war?
Es gab viele unbeantwortete Fragen. Das rote Licht der Maschine blinkte mitten in seinen Überlegungen auf. Der Prozeß war beendet, die Transformation war erfolgt. Er öffnete die Klappe.
»Großer Gott!« entfuhr es ihm. »Das ist ja wirklich merkwürdig.«
Ein Vogel kam herausstolziert. Der Mozart-Vogel war
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