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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Konsequenzen wurden ihm allmählich bewußt. Musik konnte in Gestalt von Tieren überleben, aber er hatte die Lektion vergessen, die der Garten Eden den Menschen erteilt hatte: daß jedes Ding nach seiner Entstehung beginnt, ein Eigenleben zu führen, und aufhört, Eigentum des Schöpfers zu sein, das er formen und lenken kann, wie es ihm gefällt. Gott, der das Treiben der Menschen beobachtete, mußte die gleiche Traurigkeit empfunden haben – und die gleiche Demütigung – wie Labyrinth, als er seine Geschöpfe sich anpassen und verändern sah, um den Überlebensbedingungen gerecht zu werden.
    Daß seine musikalischen Kreaturen weiterleben würden, war für ihn bedeutungslos, da nun sie vor seinen Augen genau jenen Prozeß der Verrohung des Schönen durchmachten. Doc Labyrinth sah plötzlich zu mir auf, und sein Antlitz verriet Kummer. Er hatte ihr Überleben gesichert, so weit, so gut, aber dadurch hatte er ihnen auch jegliche Bedeutung, jeglichen Wert genommen. Ich versuchte ihn anzulächeln, aber schon wandte er wieder den Blick ab.
    »Grämen Sie sich nicht so sehr darüber«, riet ich. »Viel hat sich für das Wagner-Tier ja auch nicht geändert. War es nicht trotzdem noch schön, so stark und temperamentvoll, wie es schien? Und hatte es ...«
    Ich verstummte. Doc Labyrinth war zurückgesprungen und hatte seine Hand aus dem Gras zurückgezogen. Er umklammerte sein Handgelenk und zitterte vor Schmerz.
    »Was ist geschehen?« Ich eilte zu ihm. Bebend hielt er mir seine kleine alte Hand entgegen. »Was ist? Was ist geschehen?«
    Ich drehte die Hand. Quer über den Rücken verliefen rote Bißmale, die anschwollen, während ich sie betrachtete. Etwas hatte ihn gestochen, gestochen oder gebissen, etwas, das sich im Gras verbarg. Ich senkte den Kopf und schob das Gras mit meinem Fuß beiseite.
    Eine Bewegung. Ein kleiner goldener Ball rollte flink davon.
    »Fangen Sie es!« rief Labyrinth. »Rasch!«
    Ich hastete hinterher. Aufgeregt rollte die Kugel weiter, schließlich fing ich sie dann doch in meinem Taschentuch.
    Labyrinth starrte das Taschentuch an, in dem es zappelte, als ich mich aufrichtete. »Ich kann es kaum glauben«, sagte er. »Wir sollten besser zum Haus zurückkehren.«
    »Was ist das?«
    »Einer von den Bach-Käfern. Aber er hat sich verändert ...«
    Wir wanderten über den Pfad, näherten uns dem Haus und tasteten uns durch die Dunkelheit.
    Wir betraten den Garten und gingen die Hintertreppe hinauf auf die Veranda. Labyrinth schloß die Tür auf, und wir schritten in die Küche.
    Ich nahm ein leeres Marmeladenglas vom Regal und ließ vorsichtig den Bach-Käfer hineinfallen. Zornig rollte der Ball in seinem Käfig, als ich den Deckel zudrehte. Ich setzte mich an den Tisch. Keiner von uns sagte etwas. Labyrinth stand vor dem Spülstein und ließ kaltes Wasser über seine geschwollene Hand laufen.
    »Nun?« sagte ich schließlich.
    »Es besteht kein Zweifel mehr.« Labyrinth kam herüber und nahm mir gegenüber Platz. »Sie unterliegen einer Art Metamorphose. Am Anfang besaß es mit Sicherheit keine Giftstacheln. Wissen Sie, es ist nur gut, daß ich meine Rolle als Noah nur sehr vorsichtig gespielt habe.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich habe sie alle geschlechtslos erschaffen. Sie können sich nicht vermehren. Es wird keine zweite Generation geben.«
    »Ich muß gestehen, daß ich froh bin, dies zu hören.«
    »Ich frage mich«, murmelte Labyrinth, »ich frage mich nur, wie es jetzt klingen mag, in diesem Zustand.«
    »Was?«
    »Die Kugel, der Bach-Käfer. Das ist die entscheidende Prüfung, nicht wahr? Ich kann ihn wieder in die Maschine einfüttern. Dann würden wir es erfahren. Möchten Sie es nicht auch gerne wissen?«
    »Wenn Sie meinen, Doc«, nickte ich. »Es liegt an Ihnen.«
    Vorsichtig griff er nach dem Marmeladenglas, und wir stiegen die Treppe hinunter, eine steile Stufe nach der anderen, hinab in den Keller. Ich entdeckte eine große Metallsäule in einer Ecke neben dem Waschkessel. Ein seltsames Gefühl überkam mich. Es war die Konservierungsmaschine.
    »Das also ist sie«, sagte ich.
    »Ja, das ist sie.« Labyrinth schaltete die Kontrollen ein und beschäftigte sich eine Weile mit ihnen. Schließlich nahm er das Glas und hielt es über den Trichter. Bedächtig entfernte er den Deckel, und widerstrebend fiel der Bach-Käfer aus dem Glas in die Maschine. Labyrinth schloß hinter ihm die Klappe des Trichters.
    »Also los«, murmelte er und aktivierte die Kontrollen, und die Maschine

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