Eine handvoll Dunkelheit
»Berichten Sie Ihren Kommilitonen, was Sie heute morgen beobachtet haben.«
Alle Blicke richteten sich auf ihn. Pitner schluckte nervös. »Nun, ich war unten im Keller. Man bat mich, in die Froschkammer einzutreten. Professor Grote, meine ich. Sie waren dabei, das Experiment zu beginnen.«
»Von welchem Experiment sprechen Sie?«
»Vom Zeno-Experiment«, erklärte er nervös. »Der Frosch. Er setzte den Frosch in die Röhre und schloß die Tür. Und dann schaltete Professor Grote den Strom ein.«
»Was geschah?«
»Der Frosch begann zu hüpfen. Er wurde kleiner.«
»Sie sagen, er wurde kleiner. Und was folgte dann?«
»Er verschwand.«
Professor Hardy lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Also hat der Frosch das Ende der Röhre nicht erreicht?«
»Nein.«
»Das ist alles.« Stimmengewirr brandete auf. »Sie sehen also, der Frosch hat nicht das Ende der Röhre erreicht, wie es mein Kollege, Professor Grote, erwartete. Er wird das Ende auch nie erreichen. Schade, denn wir werden den unglücklichen Frosch niemals wiedersehen.«
Unruhe machte sich breit. Hardy klopfte mit seinem Schreibstift auf das Pult. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich fürchte, dieses Experiment war für Professor Grote eine herbe Enttäuschung. Es hat ihn ungewöhnlich schwer getroffen. Wie Sie gewiß bemerkt haben, ist er zu den nachmittäglichen Vorlesungen nicht erschienen. Soweit ich weiß, hat sich Professor Grote entschlossen, einen längeren Urlaub in den Bergen zu verbringen. Vielleicht wird er später, wenn er sich etwas beruhigt und dies überwunden hat ...«
Grote erschrak. Aber er ging weiter. »Du brauchst keine Angst zu haben«, redete er sich ein. »Du mußt nur weitergehen.«
Wieder machte die Röhre einen Satz. Er taumelte. Die Taschenlampe fiel zu Boden und erlosch. Er war allein in einer gewaltigen Höhle, in einer ungeheuren Leere, die kein Ende zu nehmen schien, überhaupt kein Ende.
Er ging weiter.
Nach einiger Zeit wurde er wieder müde. Es geschah nicht zum erstenmal. »Etwas ausruhen kann nicht schaden.« Er setzte sich. Der Boden unter ihm war rauh, rauh und uneben. »Nach meinen Berechnungen wird es doch zwei Tage oder sogar mehr in Anspruch nehmen. Vielleicht dauert es sogar noch länger ...«
Er ruhte sich aus und döste ein wenig. Später setzte er seinen Marsch fort. Die plötzlichen Erschütterungen der Röhre ängstigten ihn nun nicht mehr; er hatte sich daran gewöhnt. Früher oder später würde er die Lichtschranke erreichen und sie passieren. Das Kraftfeld würde sich abschalten, und er würde seine normale Größe zurückgewinnen. Grote lächelte leicht. Was würde Hardy für Augen machen, wenn ...
Er stieß mit der Fußspitze irgendwo gegen und stürzte kopfüber in die Schwärze hinein. Kalte Furcht erfüllte ihn, und er begann zu zittern. Er stand auf und sah sich um.
Welche Richtung?
»Mein Gott«, sagte er. Er bückte sich und tastete über den Boden. Welche Richtung? Zeit verging. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung, zuerst in die eine Richtung, dann in die andere. Er konnte nichts, absolut nichts erkennen.
Dann lief er, hastete durch die Finsternis, hierhin und dorthin, stolpernd und schwankend. Plötzlich erstarrte er. Das vertraute Gefühl; vor Erleichterung seufzte er. Er bewegte sich in die richtige Richtung! Wieder lief er, diesmal ruhiger, atmete die Luft in tiefen Zügen ein, hielt den Mund geöffnet. Dann erneut das vertraute Gefühl des Zusammenschrumpfens; er befand sich auf dem richtigen Weg. Er lief und lief.
Während er weitereilte, wurde der Boden immer rauher und rauher. Bald mußte er anhalten, stolperte über Unebenheiten und Steine. Hatte man die Röhre nicht geglättet? Hatten das Sandgebläse, die Stahlwolle nicht richtig funktioniert ... ?
»Natürlich«, murmelte er. »Selbst die Oberfläche einer Rasierklinge ... wenn man klein ist ...«
Er ging weiter und ertastete sich seinen Weg. Über allem lag trübes Licht, das von den großen Steinen in seiner Nähe und sogar von seinem Körper ausging. Was hatte das zu bedeuten? Er musterte seine Hände. Sie funkelten in der Dunkelheit.
»Hitze«, sagte er. »Natürlich. Danke, Hardy.« In dem Zwielicht sprang er von Stein zu Stein. Er rannte über eine endlose, mit Felsen und Steinen übersäte Ebene, sprang wie ein Ziegenbock von Fels zu Fels. »Oder wie ein Frosch«, sagte er. Er sprang weiter und hielt hin und wieder an, um Luft zu schnappen. Er betrachtete die großen Steinbrocken und die
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