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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Augen. Es war fort, wieder fort, wie immer, wenn er heimging. Sie humpelte zum Spiegel über dem Kaminmantel und sah sich an. Alte, verblichene Augen starrten sie an, Augen, die in den dunklen Höhlen ihres faltigen Gesichts lagen. Fort, alles war fort, sobald der Junge von ihrer Seite gewichen war.
    »Ich komme wieder«, sagte Bubber.
    »Bitte«, flüsterte sie. »Bitte komm wieder. Wirst du wiederkommen?«
    »Sicher«, erklärte Bubber gleichgültig. Er öffnete die Tür. »Auf Wiedersehen.« Er stieg die Stufen hinunter. Einen Moment später hörte sie seine Schuhe über den Gehweg klappern. Er war fort.
     
    »Bubber, du kommst jetzt herein.« May Surle stand zornig auf der Veranda. »Du kommst jetzt herein und setzt dich an den Tisch.«
    »Schon gut.« Bubber kam langsam hinauf auf die Veranda und schlurfte ins Haus.
    »Was ist nur mit dir los?« Sie ergriff ihn am Arm. »Wo bist du gewesen? Bist du krank?«
    »Ich bin müde.« Bubber rieb über seine Stirn.
    Sein Vater erschien im Unterhemd und mit der Zeitung in der Hand im Wohnzimmer. »Was ist los?« fragte er.
    »Schau ihn dir an«, bat May Surle. »Er ist völlig erschöpft. Was hast du getan, Bubber?«
    »Er hat die alte Dame besucht«, erklärte Ralf Surle. »Weißt du das nicht? Danach ist er immer vollkommen zerschlagen. Was hast du getan, Bubber? Was ist geschehen?«
    »Sie gibt ihm Kekse«, sagte May. »Du weißt doch, wie er ist. Für einen Teller Kekse macht er alles.«
    »Bubber«, erklärte sein Vater, »hör mir zu. Ich möchte nicht, daß du dich weiter bei dieser verrückten alten Dame herumtreibst. Hast du mich verstanden? Mir ist es egal, wie viele Kekse sie dir gibt. Du kommst immer zu müde nach Hause. Jetzt ist Schluß. Du hast mich verstanden?«
    Bubber sah zu Boden und lehnte sich an die Tür. Sein Herz schlug schwer und mühsam. »Ich habe ihr gesagt, daß ich wiederkomme«, flüsterte er.
    »Noch ein einziges Mal darfst du hin«, versprach seine Mutter und ging ins Eßzimmer, »aber nur noch einmal. Sag ihr, daß du sie nicht mehr besuchen darfst. Bring es ihr schonend bei. Geh jetzt nach oben und wasch dich.«
    »Nach dem Essen soll er sich besser hinlegen«, bemerkte Ralf und sah die Treppe hinauf, wie Bubber langsam, die Hand am Geländer, nach oben stieg. Er schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir nicht«, brummte er. »Ich möchte nicht, daß er noch einmal dorthin geht. Mit dieser alten Dame stimmt etwas nicht.«
    »Nun, es wird das letzte Mal sein«, sagte May.
    Der Mittwoch war ein warmer und sonniger Tag. Bubber schlenderte mit den Händen in den Taschen durch die Stadt. Er blieb vor McVane’s Drugstore stehen und musterte die Comic-Hefte. Am Sodawasserspender stand eine Frau und trank ein großes Glas Schokoladensoda. Der Anblick machte Bubbers Mund wäßrig. Sein Entschluß stand fest. Er drehte sich um und ging weiter und beschleunigte sogar noch seine Schritte.
    Einige Minuten später erreichte er die graue, verwitterte Veranda und klingelte. Unter ihm raschelte das Unkraut, wenn der Wind dazwischenfuhr. Es war fast vier Uhr; er konnte nicht sehr lange bleiben. Aber schließlich war es heute das letzte Mal.
    Die Tür wurde geöffnet. Mrs. Drews faltiges Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Komm herein, Bernard. Es ist schön, daß du gekommen bist. Wenn du mich besuchst, fühle ich mich direkt jünger.«
    Er trat ein und sah sich um.
    »Ich werde sofort Kekse backen. Leider wußte ich nicht, daß du kommen würdest.« Sie schlurfte in die Küche. »Ich werde sie sofort in den Backofen schieben. Setz dich doch schon einmal auf die Couch.«
    Bubber ging ins Wohnzimmer und nahm Platz. Er bemerkte, daß der Tisch und die Lampe fort waren; der Sessel stand direkt neben der Couch. Verwirrt sah er den Sessel an, als Mrs. Drew ins Zimmer gerauscht kam.
    »Sie sind im Ofen. Ich hatte den Teig bereits fertig.« Mit einem Seufzer ließ sie sich in den Sessel fallen. »Nun, wie war es heute? Was macht die Schule?«
    »Wie immer.«
    Sie nickte. Wie plump er war, dieser kleine Junge, der so nah bei ihr saß mit seinen roten, vollen Wangen! Sie konnte ihn berühren, so nah war er. Ihr altes Herz pochte. Ah, wieder jung zu sein. Jugend war soviel wert. Sie war alles. Was bedeuteten der Welt schon die Alten? Wenn die ganze Welt alt ist, Freund ...
    »Möchtest du mir vorlesen, Bernard?« fragte sie schließlich.
    »Ich habe keine Bücher dabei.«
    »Oh.« Sie nickte. »Nun, ich besitze ein paar Bücher«, sagte sie rasch. »Ich

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