Eine Handvoll Venus: Meisterwerk der Science Fiction - Roman (German Edition)
gleich. Als Dank dafür belästigte er mich mit Fragen, die ich nicht beantworten konnte, und hielt nach nicht vorhandenen Fingerabdrücken Ausschau. Nach einer Weile ging er wieder, nachdem er mir mitgeteilt hatte, er würde an dem Fall weiterarbeiten.
Ich legte mich ins Bett und schlief schließlich ein; eine offene Frage ging mir unaufhörlich durch den Kopf: Wer hatte schon Interesse daran, einen einfachen, harmlosen Werbefritzen wie mich zu erschießen?
4
Ich nahm all meinen Mut zusammen und schritt forsch über den Korridor auf Fowler Schockens Büro zu. Ich brauchte eine Antwort, und er kannte sie vielleicht. Vielleicht warf er mich auch hinaus. Aber ich brauchte eine Antwort.
Es war offenbar nicht gerade der günstigste Augenblick, um ihm Fragen zu stellen. Vor mir öffnete sich explosionsartig die Tür, und Tildy Mathis schoss heraus. Ihr Gesicht bebte vor Wut. Sie starrte mich an, aber ich schwöre, sie wusste meinen Namen nicht. »Noch mal schreiben«, zischte sie wütend. »Ich schufte wie eine Sklavin für diese weißhaarige alte Ratte, und was habe ich davon? Noch mal schreiben. Dies ist ein guter Text, aber ich erwarte von Ihnen mehr als nur einen guten Text, sagt er. Ich will Farbe, sagt er, ich will Schwung und Schönheit und einfache menschliche Wärme und Ekstase und alle sanften, traurigen Emotionen Ihres süßen weiblichen Herzens, sagt er, und zwar in fünfzehn Worten. Nun gut, er wird seine fünfzehn Worte bekommen«, schluchzte sie und drängte sich an mir vorbei auf den Flur. »Ich werde diesem scheinheiligen, honigsüßen, aufgeblasenen, herablassenden, blasierten, genieverschlingenden alten Moloch von –«
Die Tür von Tildys Büro schlug zu, und ich konnte den Rest nicht mehr verstehen. Schade, es war bestimmt etwas Gutes.
Ich räusperte mich, klopfte kurz an und betrat das Büro. Das Lächeln, mit dem er mich begrüßte, verriet nicht, dass er gerade mit Tildy Krach gehabt hatte. Sein rosafarbenes Gesicht mit den klaren Augen ließ meinen Verdacht schrumpfen – aber Tatsache blieb: Man hatte auf mich geschossen. »Es dauert nur eine Minute, Fowler«, sagte ich. »Ich möchte gern wissen, ob Sie’s bei Taunton mit Gewalt versucht haben.«
»Ich gehe immer hart ran«, sagte er augenzwinkernd, »hart, aber sauber.«
»Ich meine sehr, sehr hart und sehr, sehr schmutzig. Haben Sie vielleicht zufällig versucht, ein paar von seinen Leuten zu erschießen?«
»Mitch! Ich muss doch wirklich bitten!«
»Ich frage deshalb«, sagte ich hartnäckig, »weil gestern Abend, als ich nach Hause kam, ein Scharfschütze, der an einer Strickleiter von einem Helikopter herunterhing, mich kaltzumachen versuchte. Ich habe keine Ahnung, aus welcher Ecke das kommen könnte, wenn es keine Vergeltungsmaßnahme von Taunton ist.«
»Taunton können Sie von Ihrer Liste streichen«, sagte er im Brustton der Überzeugung.
Ich holte tief Luft. »Fowler«, bohrte ich weiter, »von Mann zu Mann: Man hat Sie nicht etwa informiert? Vielleicht liege ich falsch, aber ich muss fragen. Es geht nicht nur um mich, sondern auch um das Venusprojekt.«
In diesem Augenblick waren Fowlers Wangen nicht mehr rosig, und ich konnte an seinen Augen ablesen, dass mein Posten und meine Starklasse-Position an einem seidenen Faden hingen.
Er sagte: »Mitch, ich habe Sie in die Starklasse aufsteigen lassen, weil ich glaubte, Sie würden mit der Verantwortung, die diese Stellung mit sich bringt, fertig werden. Es ist nicht nur die Arbeit. Ich weiß, dass Sie der gewachsen sind. Ich dachte auch, Sie könnten sich an das allgemeine Verhalten und die Arbeitsmethoden gewöhnen.«
Ich gab klein bei.
»Ja, Sir«, sagte ich.
Er setzte sich und zündete sich eine Starr an. Und er ließ genau den richtigen Bruchteil einer Sekunde verstreichen, bevor er mir das Paket reichte. »Mitch, Sie sind noch jung und erst kurze Zeit in der Starklasse. Aber Sie haben Macht. Ein paar Worte von Ihnen, und innerhalb von Wochen oder Monaten hat sich das Leben einer Million Verbraucher völlig verändert. Das ist Macht, Mitch, absolute Macht. Sie kennen doch das alte Sprichwort: Macht adelt. Absolute Macht adelt absolut.«
»Ja, Sir«, erwiderte ich.
Ich kannte all diese alten Sprüche. Ich wusste aber auch, dass er meine Frage schließlich doch noch beantworten würde.
»Ja, Mitch«, sagte er träumerisch und schwenkte die Zigarette. »Wir haben unsere eigenen Privilegien und Pflichten und unser eigenes Risiko. Man bekommt das eine nicht ohne das
Weitere Kostenlose Bücher