Eine Handvoll Venus: Meisterwerk der Science Fiction - Roman (German Edition)
stets etwas Neues zu sehen, weil die Gebäude immerzu einstürzen und neue errichtet werden. Und was für Gebäude! Sie sehen aus wie Kunststoffzelte auf Kunststoffgerüsten. Dank dieser Bauart sind sie elastisch, und bei Erdbeben widerstandsfähiger. Und wenn ein Erdbeben tatsächlich einmal so heftig ist, dass das Gerüst einstürzt, so ist der Verlust nicht so groß – lediglich ein bisschen Kunststoff, der in den Falzen gerissen ist und vielleicht ein paar geborstene Kunststoffträger, die meistens noch zu retten sind.
Wirtschaftlich gesehen ist es vernünftig, in Südkalifornien nicht allzu viel für Gebäude zu investieren. Seit den H-Bomben-Versuchen in der San-Andreas-Schlucht besteht durchaus die Möglichkeit, dass das gesamte Gebiet eines schönen Tages in den Pazifik rutscht – im Grunde könnte das jeden Tag passieren. Doch als wir hinunterschauten, war die Stadt noch da, und wie jeder andere wussten wir, dass sie wahrscheinlich auch die Dauer unseres Aufenthaltes noch überstehen würde. Vor meiner Zeit herrschte anfangs eine gewisse Panik, als täglich Erdbeben gemeldet wurden, aber das hing wohl weitgehend mit den altertümlichen Gebäuden zusammen, die einstürzten und die Menschen gefährdeten. Schließlich gewöhnte man sich daran und war – wie in Südkalifornien nicht anders zu erwarten – sogar noch stolz darauf. Ortsansässige leierten endlose Statistiken herunter, die bewiesen, dass man mit größerer Wahrscheinlichkeit vom Blitz oder von einem Meteoriten getroffen werden konnte, als bei einem ihrer Erdbeben ums Leben zu kommen. Ein schnelles Drei-Mann-Pedi-Cab brachte uns zur Zweigstelle von Fowler Schocken Inc. Mein leichtes Unbehagen gegenüber der Abteilung MARKET RESEARCH verstärkte sich, und es schoss mir durch den Sinn, Ham Harris könne vielleicht einen Spitzel auf dem Flugplatz postiert haben, der ihn rechtzeitig vor einer Inspektion warnen sollte.
Die Dame am Empfang enttäuschte mich. Sie kannte mich weder dem Aussehen noch dem Namen nach. Träge sagte sie: »Ich will nachschauen, ob Mr. Harris zu sprechen ist, Mr. Conelly.«
»Mr. Courtenay, verehrte Dame. Ich bin der Chef von Mr. Harris.« Kathy und ich spazierten durch eine Atmosphäre der Müßigkeit und Faulheit, die mir die Haare zu Berge stehen ließ.
Harris spielte hemdsärmelig mit zwei jungen Angestellten Karten. Zwei andere Männer saßen glotzäugig vor einem HypnoTele-Gerät und befanden sich offensichtlich in Trance. Ein sechster Mann tippte lässig mit einem Finger auf der Rechenmaschine herum.
»Harris!«, brüllte ich.
Mit Ausnahme der beiden in Trance befindlichen fuhren alle Männer herum. Ich ging zu dem Gerät und schaltete es ab. Sie kamen langsam zu sich.
»Mmmm-mmm-mmmister Courtenay«, stotterte Harris. »Wir haben Sie nicht erwartet …«
»Das sehe ich. Die Übrigen verschwinden bitte. Harris, wir gehen in Ihr Büro.« Kathy folgte uns unauffällig.
»Harris«, sagte ich, »gute Arbeit entschuldigt vieles. Sie haben für dieses Projekt verdammt viel gute Arbeit geliefert. Die Atmosphäre überrascht mich, ich bin bestürzt. Aber das lässt sich in Ordnung bringen …«
Sein Telefon läutete, ich nahm den Hörer ab.
Eine Stimme sagte aufgeregt: »Ham? Er ist da. Mach hin; er hat ein schnelles Dreier-Cab genommen.«
»Danke«, sagte ich und legte auf. »Ihr Spion vom Flugplatz«, informierte ich Harris. Er wurde weiß im Gesicht.
»Zeigen Sie mir jetzt Ihre Listen«, forderte ich, »Interviewformulare, Matrizen, Prognosetabellen, Planungsskizzen usw. Kurzum: alles, von dem Sie nicht annehmen, dass ich es mir ansehen will. Holen Sie sämtliche Unterlagen.«
Er verharrte lange, lange Zeit regungslos, dann sagte er schließlich: »Die existieren nicht.«
»Was können Sie mir zeigen?«
»Endergebnisse«, murmelte er. »Aber auch ein paar Entwürfe.«
»Fälschungen meinen Sie, oder? Fingiertes Material, wie das, was Sie uns per Telefon durchgegeben haben?«
Er nickte. Sein Gesicht war grünlich.
»Wie konnten Sie das nur tun, Harris?«, fragte ich. »Wie konnten ausgerechnet Sie das tun?«
Ein unkontrollierter Schwall von Worten ergoss sich aus seinem Mund. Er hatte es nicht tun wollen. Es sei seine erste selbständige Arbeit gewesen. Vielleicht sei er ein Versager. Er hatte versucht, wenigstens das Fußvolk auf Trab zu halten, während er selbst schuftete, aber es gelang ihm nicht; sie spürten seine Unsicherheit und nahmen sich immer mehr Freiheiten heraus, und er wagte nicht,
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