Eine Handvoll Venus: Meisterwerk der Science Fiction - Roman (German Edition)
mit ihren Leuten – alles temperamentvolle Geschöpfe. Manchmal brachten sie unter Qualen am Tag eine einzige Zeile zu Papier, dann wieder füllten sie Seite auf Seite mühelos, mit glänzenden Augen, als seien sie besessen. Tildy dirigierte und redigierte die Texte und gab nur das Beste an mich weiter: einen Spot von neun Minuten Länge, Bildmaterial, Artikel für die Grundlagen der Kampagne, neue Geschichten, Anzeigen, Schlüsselworte für die Flüsterkampagne, Wortspiele (saubere und schmutzige), die durchs Land ziehen würden.
Die Abteilung VISUALS lief auf Hochtouren. Es machte den Leuten echt Spaß, mit Airbrush und Kamera einen Planeten zu formen. Sie lieferten das Optimale an »Pre&After«-Commercials. Sie gingen völlig in ihrer Arbeit auf.
Die Abteilung DEVELOPMENT zauberte Kaninchen aus dem Hut. Als ich Collier einmal darauf hinwies, dass er vielleicht etwas zu optimistisch sei, erklärte er es mir so: »Das ist Energie , Mr. Courtenay. Auf der Venus gibt es unerschöpfliche Mengen an Energie. Sie ist der Sonne näher. Die Sonne überschüttet den Planeten mit Energie in Form von Hitze, Molekularketten und schnellen Partikeln. Hier auf der Erde kennen wir diesen Grad freier Energie überhaupt nicht. Wir zapfen mit Windmühlen die kinetische Energie der Atmosphäre an, und auf der Venus werden wir Turbinen verwenden. Wenn wir auf der Venus Elektrizität brauchen, bauen wir einfach einen Akkumulator, montieren einen Blitzableiter dran und suchen schleunigst das Weite. Es handelt sich da um eine völlig andere Dimension.«
Die Abteilung MARKET RESEARCH/INDUSTRIAL ANTHROPOLOGY arbeitete in San Diego, prüfte Tildys Text, die Layouts der Abteilung VISUALS und Filme, extrapolierte und interpolierte. Ich hatte eine direkte Verbindung zum Schreibtisch von Ham Harris, Runsteads Vertreter in San Diego.
Ein normaler Tag begann mit einer VENUS-SECTION-Konferenz: Zuerst hielt ich eine anfeuernde Rede, dann kamen die aktuellen Berichte von allen Seiten, Kritik und Vorschläge von einer Abteilung für eine andere. Harris nahm per Telefon teil und teilte zum Beispiel Tildy mit, dass »heitere Atmosphäre« sich in seinem Versuchsgebiet nicht als Schlüsselwort eigne und sie deshalb eine Liste von Alternativvorschlägen fertigstellen solle.
Tildy fragte Collier, ob man in einem manipulierten Artikel problemlos von »Topas-Sand« reden könne, um anzudeuten, dass es auf der Venus von rohen Edel- und Halbedelsteinen nur so wimmele. Collier wieder instruierte zum Beispiel die Abteilung VISUALS, die Atmosphäre auf einem »Vorher«-Panorama müsse einen Ton röter sein. Und ich sagte Collier, er solle sich zufrieden geben, das sei durchaus noch im Rahmen des Vertretbaren.
Nach der Sitzung machte sich jeder an die Arbeit. Ich verwandte viel Zeit darauf, alle möglichen Komplikationen aus der Welt zu schaffen, zu koordinieren und genaue Anweisungen für die Durchführung des Projekts auszuarbeiten. Vor Feierabend hielten wir eine weitere Konferenz ab, die jeweils unter einem bestimmten Thema stand, wie zum Beispiel: »Die Integration der Starrzelius-Produkte in die Venuswirtschaft«, oder: »Einkommensberechnung der künftigen Venuskolonisten zur Erreichung optimaler Kaufkraft zwanzig Jahre nach der Stunde null.«
Und dann kam der beste Teil des Tages. Kathy und ich sahen uns wieder regelmäßig. Wir lebten noch immer getrennt, aber ich war inzwischen zuversichtlich und sicher, dass das nicht mehr lange dauern würde. Manchmal rief sie mich an, manchmal verabredete ich mich mit ihr. Wir gingen aus und hatten Freude daran, gut zu essen, gut zu trinken, uns gut anzuziehen und zu spüren, dass wir zwei gutaussehende Menschen waren, die das Leben genossen.
Wir führten kaum ernste Gespräche. Sie ermutigte mich nicht dazu, und ich forcierte es nicht. Ich dachte, die Zeit sei auf meiner Seite. Einmal begleitete uns Jack O’Shea, bevor er zu einem Vortrag nach Miami abreisen musste. Auch das gefiel mir: Wir waren gutgekleidete, gutaussehende Menschen, so weit oben, dass wir mit der berühmtesten Persönlichkeit der Welt ausgehen konnten. Das Leben war schön …
Nach einer Woche greifbaren, zufriedenstellenden Fortschritts sagte ich Kathy, es sei für mich an der Zeit, einmal die außerhalb gelegenen Anlagen aufzusuchen – den Raketenstartplatz in Arizona und das Hauptquartier für das Testgebiet in San Diego.
»Fein«, sagte sie. »Kann ich mitkommen?«
Ich war überglücklich über ihren Vorschlag; jetzt würde es
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