Eine Handvoll Venus: Meisterwerk der Science Fiction - Roman (German Edition)
»Eine Phasenanalyse des O’Shea-Berichts …«
Ich unterbrach ihn erneut. »Würden Sie aufgrund dieser Gewissheit zur Venus fliegen?«
»Gewiss«, beteuerte er ein wenig beleidigt. »Soll ich jetzt in die technischen Details gehen?«
»Nein, vielen Dank, Charlie. Fahren Sie fort wie vorher.«
»Ja, also, augenblicklich beschäftigen wir uns in zweifacher Hinsicht mit dem Treibhauseffekt. Wir erstellen eine Karte von Bohrstellen mit maximalen Erfolgschancen und entwerfen eine automatische Standardmaschine für Tiefenbohrungen. Bei der Konstruktion berücksichtige ich geringen Kostenaufwand, Eigenenergie und Fernsteuerung. Ich hoffe, das genügt?«
»Durchaus. Vielen Dank, Charlie. Aber noch eins. Wenn es das Zeug da oben gibt, und zwar in Hülle und Fülle, bekommen wir Ärger. Wenn es zu viel davon gibt und es zu leicht zugänglich ist, so wäre es möglich, von der Venus flüssiges CO 2 zur Erde zu exportieren – was wir auf keinen Fall wollen. CO 2 ist hier gerade ausreichend vorhanden, und es würde niemandem dienen, wenn der Preis auf der Erde unterboten wird. Wir müssen stets daran denken: Das Venusprojekt soll sich dadurch bezahlt machen, dass die Erde mit Rohmaterialien beliefert wird, die hier knapp sind; die Venus soll keineswegs mit dem Mutterplaneten konkurrieren. Eisen, ja. Nitrate, ganz besonders wichtig. Wir werden so gut dafür zahlen, dass sie weiterhin irdische Produkte kaufen und in der Lage sind, Bankiers und Versicherungsgesellschaften zu beschäftigen und Geschäfte zu machen. Der wichtigste Punkt jedoch bleibt der, dass wir die Venus ausbeuten wollen, und nicht umgekehrt. Ich möchte, Charlie, dass Sie sich mit der Rechnungsabteilung zusammensetzen und feststellen, ob es der Venus durch ihr unterirdisches CO 2 jemals möglich sein wird, CO 2 frei Haus nach New York zu konkurrierenden Preisen zu liefern. Sollte das der Fall sein, so sind Ihre gegenwärtigen Pläne hinfällig. Dann müssen Sie Ihr Gas auf kostspieligere Weise herstellen.«
»Gut, Mr. Courtenay«, sagte Charlie und machte sich eifrig Notizen.
»In Ordnung. Hat noch jemand etwas Besonderes zum Venusprojekt beizusteuern, bevor wir weitergehen?«
Bernhard, unser Revisor, erhob die Hand, und ich nickte.
»Eine Frage bezüglich Mr. O’Shea«, polterte er. »Wir führen ihn als Berater, und zwar mit einem recht gepfefferten Gehalt. Ich habe herumgehorcht – und hoffe, ich habe damit meine Kompetenzen nicht überschritten, Mr. Courtenay, aber das ist schließlich meine Aufgabe –, ich habe die Leute gefragt und dabei festgestellt, dass wir von ihm verdammt wenig beraten worden sind. Auch sollte ich vielleicht erwähnen, dass er in den letzten Wochen einen ziemlich hohen Vorschuss genommen hat, der noch nicht fällig war. Wenn wir – wenn wir heute unsere Verbindungen mit ihm abbrächen, würde er uns noch Geld schulden.
Außerdem – na ja, das ist nebensächlich, vielleicht aber auch ganz aufschlussreich. Die Mädchen in meiner Abteilung beschweren sich darüber, dass er sie belästigt.«
Ich hob die Augenbrauen. »Ich glaube, wir sollten uns darum nicht weiter kümmern, Ben, obgleich seine Beliebtheit zu schwinden scheint. Weigern Sie sich, ihm weitere Vorschüsse zu geben. Und was die Mädchen betrifft – so bin ich überrascht. Mir ist, als hätten die sich früher nicht gerade beschwert, wenn er ihnen Anträge machte.«
»Haben Sie ihn in letzter Zeit gesehen?«, fragte Bernhard.
»Nein.« Ich hatte ihn wirklich lange nicht mehr gesehen. Die Konferenz war bald zu Ende.
Als ich wieder in meinem Büro war, fragte ich meine Nachtsekretärin, ob O’Shea im Gebäude sei, und sagte ihr, sie solle nach ihm schicken.
Er kam, roch nach Alkohol und beschwerte sich lautstark.
»Verdammt, Mitch, was zu viel ist, ist zu viel! Ich bin gerade gekommen, um mir eine Puppe für die Nacht zu besorgen, und schon packt ihr mich. Nehmt ihr die Sache nicht ein bisschen zu ernst? Ihr könnt meinen Namen verwenden; was wollt ihr noch mehr?«
Er sah jämmerlich aus. Eine Miniaturausgabe des fetten, quengeligen, heruntergekommenen Napoleon I. auf Elba. Aber kaum war er eingetreten, musste ich plötzlich nur noch an Kathy denken. Es dauerte eine Weile, bis ich wusste, warum.
»Nun?«, fragte er. »Was gibt es so zu starren? Ist etwa mein Lippenstift verschmiert?«
Der Duft war unverkennbar, wenn auch von Alkoholdunst etwas überlagert; Ménage à Deux , das Parfüm, das ich für Kathy, für sie allein, geschaffen hatte, als
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