Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
plaudern.
Eine stille Mahlzeit und ein paar ordentliche Brandys in einer ruhigen Ecke klangen eher nach seinem Geschmack.
Als er seinen feuchten Mantel dem Kellner überreichte, musste er erneut an Harry denken. Wie es ihm wohl am Abend vor seiner Hochzeit ergangen wäre? Zweifellos wäre sein älterer Bruder glücklich gewesen und hätte sich auf die ganze Sache gefreut, statt sich davor zu fürchten. Aber er hätte ja auch am Ende dieses Tages seine hübsche Braut, die nicht nur sein Bett, sondern auch sein Herz erwärmte.
Michael ähnelte seinem fröhlichen und traumtänzerischen Bruder so gar nicht, wenn man mal vom Aussehen absah. Er fragte sich, ob die hübsche Lady Julianne sich bewusst war, welchen Handel sie mit dem Schicksal eingegangen war. Statt einen Ehemann zu bekommen, der sie gerne heiraten wollte, auf jede erdenkliche Weise pflichtbewusst war und vermutlich einen idealen Ehemann und später den perfekten Duke abgeben würde, bekam sie nun bloß einen sich sträubenden Bräutigam mit einem Haufen dunkler Geheimnisse und ohne den Wunsch, sich dem Prunk hinzugeben, den seine Stellung in der Gesellschaft ihm bot.
Kein guter Handel, wenn man es sich recht überlegte. Man hatte sie übers Ohr gehauen.
»Ziemlich nass da draußen, stimmt’s, Longhaven? Möchtest du dich zu uns gesellen? Wir haben gerade noch über dich gesprochen und überlegt, ob du nicht vielleicht noch hier auftauchst.«
Er wurde aus seinen Überlegungen gerissen. Luke Daudet, der Viscount of Altea, saß an einem Tisch und hatte ein Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit vor sich. Er lächelte. Neben ihm saß Lord Alex St. James, der einen ebenso amüsierten Gesichtsausdruck zeigte. Sein dunkles Haar war nur eine Spur zu lang, als es derzeit modisch war – obwohl er sich noch nie um Konventionen geschert hatte. In seinen Augen lag etwas Forschendes.
Wenn es jemanden gab, den Michael als enge Freunde bezeichnen würde, dann wohl diese beiden. Aber dies war kein Abend, an dem sie sich sehen sollten. Beide hatten erst kürzlich geheiratet. St. James hatte die unglaublich hübsche Tochter eines Earls zur Frau genommen, und sie erwarteten nun ihr erstes Kind. Luke hatte vor Kurzem eine schöne, junge Witwe geheiratet, die ebenfalls Mutterfreuden entgegenblickte. Die beiden Männer waren laut eigener Aussage zutiefst zufrieden mit ihrem frisch verheirateten Status und freuten sich bereits auf die Zukunft als Väter. Vielleicht wollten sie sich sogar darüber unterhalten, und das war nun wirklich ein Thema, das Michael wie der Teufel das Weihwasser scheute.
Verflixt und zugenäht. Wenn er über die Ehe reden wollte, hätte er genauso gut nach Hause gehen und sich die Litaneien der wohlmeinenden Tanten anhören können.
Aber es war nun mal so, dass Luke und Alex seine Kameraden waren, weshalb er sich auf den angebotenen Stuhl setzte. »Ich dachte, ihr zwei wärt immer noch außerhalb der Stadt.«
Über den Tisch hinweg bedachte Luke, ein auf klassische Weise attraktiver Mann, ihn mit einem Lächeln. Seine silbrigen Augen blitzten vergnügt. »Schon vergessen? Wir sind morgen zu einer Hochzeit eingeladen. Madeline musste noch einmal zur Anprobe, weil sie für die Trauung morgen ein neues Kleid braucht. Ihre Taille beginnt zu verschwinden.«
Michael gab ein unverbindliches Schnauben von sich und sah sich suchend nach dem Kellner um.
Alex bemerkte: »Amelia würde es jedenfalls nie verpassen wollen, obwohl ihr Zustand inzwischen offensichtlich ist. Sie hat mich schwören lassen, dass wir ganz hinten sitzen.« Er schmunzelte. »Ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihr zu erklären, dass dieses Verhalten nicht weniger Aufsehen erregen wird. Aber wenn es sie glücklich macht, bin ich bereit, alles für sie zu tun. Ich finde, sie wird mit jedem Tag und mit zunehmendem Umfang schöner.«
Wo blieb nur der verdammte Kellner? Michael nickte, obwohl Frauen in anderen Umständen nicht sein liebstes Gesprächsthema waren.
Luke reichte Michael sein halb volles Whiskeyglas. »Auch wenn das wenige Leute von sich behaupten dürfen, aber ich kenne dich. Wir kennen dich. Zumindest, soweit das möglich ist. Und jetzt hast du diesen Blick aufgesetzt. Hier, nimm meinen Whiskey, bis deiner kommt. Ich habe ihn schon bestellt.«
Das war ein anständiger Zug von seinem Freund, und Michael nahm das Glas gerne an. Er trank einen so großen Schluck, dass er sich fast daran verschluckte. Etwas heiser fragte er: »Welchen Blick?«
»Du wirkst
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