Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
Pflicht ist.«
Ihre Mutter war offensichtlich zutiefst peinlich berührt und nahm sich viel Zeit, um noch eine Tasse Tee einzuschenken. »Ich würde es bevorzugen, wenn du nicht solchen verkommenen Unterhaltungen lauschen würdest.«
»Mir wäre es hingegen lieb, wenn ich eine freimütigere Erklärung der Vorgänge bekäme. Manche Frauen scheinen es ja zu genießen, sonst würden sie die öffentliche Kritik nicht scheuen, indem sie sich einen Liebhaber nehmen. Und was ist verkommen daran, über das eheliche Bett zu reden?«
»Julianne.«
Die Zurechtweisung überraschte Julianne nicht. Sie liebte ihre Mutter, aber sie wusste auch, dass sie nicht gut darin war, über andere Themen als über neue Kleider und Hüte zu reden. Dieses Gespräch war jedenfalls alles andere als erhellend.
»Ich hoffe, da ist noch mehr als bloß dieses Gefühl, eine Zuchtstute zu sein.«
»Natürlich ist da mehr.« Ihre Mutter hob die Tasse an die Lippen und nahm einen kleinen Schluck. »Tu einfach, was er dir sagt, und erlaube ihm alles, was er tun will. Dann werdet ihr eine harmonische Ehe führen. Wenn es dazu kommt, ist die Angelegenheit recht einfach.«
Einfach? Eine Ehe mit dem Marquess of Longhaven? Irgendwie bezweifelte Julianne das. Mit Harry wäre es vielleicht so gewesen, aber sein Tod hatte alles verändert.
Da das Gespräch stockte, stand sie auf und ging zu ihrer Mutter, um sie auf die Wange zu küssen. »Ich danke dir für deinen Rat.«
Ihre Mutter lächelte erleichtert. »Du wirst so eine schöne Braut sein. Er wird verzückt sein.«
Michael Hepburn verzückt? Julianne war sich sicher, es würde schon einiges mehr erfordern, damit dieser Mann in einen Zustand der Verzückung geriet. Jedenfalls einiges mehr als ein hübsches Kleid und eine Zeremonie, die ihnen beiden geradezu aufgezwungen worden war. Es ging ihm vermutlich wie ihr, und dann war er nicht verzückt, sondern allerhöchstens ergeben .
Kein vielversprechender Beginn. Beide ergaben sich in ihr jeweiliges Schicksal.
»Ich denke, ich gehe jetzt nach oben und ruhe mich ein wenig aus«, log sie und warf rasch einen Blick auf die vergoldete Uhr auf dem Kaminsims. Wenigstens hatte sich die Duchess heute nicht allzu lange bei ihnen aufgehalten, um die Sache mit den Orchideen zu besprechen. Sonst wäre Julianne zu spät gekommen.
Morgen um diese Zeit bin ich verheiratet, dachte Julianne.
Heute hatte sie aber noch etwas Dringendes zu erledigen. Noch war sie nicht Lady Longhaven, und sie hatte eine Verabredung, die sie unter allen Umständen einhalten musste.
Seine letzte Nacht als unverheirateter Mann. Und er hatte nichts Besseres zu tun, als in einer kalten, zugigen Ecke auf einer verwaisten Werft zu stehen. Er war von dem dünnen Nebel, der wie ein Racheengel auf ihn zugekrochen kam, völlig durchnässt. Die Feuchtigkeit war heimtückisch und fast nicht erkennbar, aber sie ließ ihn trotzdem bis auf die Knochen frieren.
Die Gestalt löste sich aus dem Schatten eines Gebäudes und trat durch den Nebel auf ihn zu. Michael konnte trotz der Dunkelheit erkennen, dass das Gebäude dem Verfall preisgegeben war, und der leere Türrahmen starrte ihn wie ein zahnloses Lächeln an, während die verrotteten Bretter sich gefährlich zur Seite neigten. Michael beobachtete aufmerksam den stummen Mann, der sich ihm näherte.
»Longhaven.«
»Hallo, Charles.«
»Ein verflucht ungemütlicher Abend.«
»Das stimmt. Letzte Nacht war das Wetter angenehmer, aber der Abend war für meinen Geschmack etwas zu ereignisreich.« Michael spürte auch jetzt das schmerzhafte Pochen seiner Wunde und lächelte ironisch. »Ich wurde nämlich nach dem Treffen angegriffen. Eine Ahnung, wer das war?«
»Angegriffen, sagst du?« Der Mann vor ihm runzelte die Stirn, seine Brauen zogen sich zusammen. »Schon wieder?«
»Schon wieder«, bestätigte Michael grimmig.
»Du siehst nicht aus, als wärst du verletzt.«
»Das habe ich wohl meiner inneren Stärke zu verdanken.«
Sein Kamerad schmunzelte, dennoch erkannte Michael, dass Charles Peyton ehrlich besorgt schien. »Wegen dieses Angriffs bist du wohl zu dem Schluss gekommen, dass der erste eher nicht zufällig war?«
»Nun, diese Wunde stützt durchaus meine Theorie, dass jemand ziemlich blutrünstige Absichten hat.«
»Das ist unangenehm. Konnte er flüchten?«
Keine beflissene Sorge um seine Gesundheit. Aber im Grunde war das schon ganz richtig, schließlich schwebte er nach wie vor in Gefahr. Außerdem hatte Michael den Angriff
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