Eine Hexe im Klassenzimmer - Ich kann schon alleine lesen -
öffnete sich ganz. „Komm herein, Gretel! Du auch, Hänsel!“ Die Alte schlurfte zur Seite. „Wir trinken gerade Tee. Ihr könnt auch eine Tasse haben.“ Die Kinder traten ein, folgten der bunten Schürze und gingen einem munteren Stimmengewirr entgegen. Die Alte stieß eine Tür auf. Anna und David schauten in ein großes düsteres Zimmer. An einem ovalen Tisch saß Luzie zwischen sechs alten Frauen. Alle blickten dem Besuch neugierig entgegen.
„Wen bringst du da, Holly?“
„Was sind das für Kinder?“
„Sehen nett aus, die Kleinen!“
„Kennst du sie, Luzie?“
Die Frau im bunten Kittel hieß also Holly. Sie schob Anna und David zum Tisch.
Luzie versuchte aufzustehen, fiel aber mit einem Schmerzenslaut wieder auf ihren Stuhl zurück.
„Bleib sitzen, Schätzchen!“, lispelte Holly. „Ich hole zwei Stühle für Hänsel und Gretel.“
„Das sind nicht Hänsel und Gretel!“,
sagte Luzie heftig. „Die beiden heißen
David und Anna. Wir sitzen in der
Schule am selben Tisch.“
„Ach so, ach ja, in der Schule!“, wisperte es ringsum. „Grüß dich, David! Grüß dich, Anna! Willkommen in unserem Haus!“ Holly schob zwei dampfende Tassen über den Tisch und erklärte: „Melissentee! Der heilt Wunden, befreit von Schmerzen, entkrampft den Magen, beruhigt das Herz.“
„Aber wir sind gar nicht krank“, sagte Anna.
Luzie lachte. „Der Tee schmeckt gut. Schadet ja nicht, wenn er obendrein noch gesund ist. Meinen sieben Tanten ist Gesundheit sehr wichtig.“
Sieben Tanten? Anna und David schickten einen Blick in die Runde. Luzie hatte anscheinend keine Eltern, dafür aber sieben ziemlich eigenartige Tanten.
„Sie behandeln gerade meinen schlimmen Fuß“, sagte Luzie und zog ihr rechtes Bein unter dem Tisch hervor. Um den Knöchel
hatte sie einen Verband, aus dem ein paar grüne Blattspitzen hervorschauten. „Luzie kann bald wieder in die Schule“, versicherte Holly. „Wir freuen uns, dass es ihr da gefällt. Es ist ärgerlich, wenn man weder lesen noch schreiben noch rechnen kann.“
„So wie wir!“, sagte die dünne Tante, die neben ihr saß. „Mein Name ist übrigens Jasmina.“
Auch die übrigen fünf stellten sich vor: Kamilla, Pimpinella, Salvia, Majorana und Rubina.
„Das sind ja tolle Namen!“, fand Anna. „Könnt ihr sie wirklich nicht schreiben?“ Alle sieben schüttelten verlegen die Köpfe.
Luzie seufzte. „Dass ihr nicht lesen könnt, ist doch eigentlich viel schlimmer. Anna und David sollen wissen, warum.“ Ein aufgeregtes Tuscheln ging durch die Runde. Luzie griff in die Schublade unter der Tischplatte und holte ein Buch heraus. Es war sehr dick und sehr schwer. „Lass es nicht fallen, Liebchen!“, rief Kamilla.
„Was ist das, um Himmels willen?“, fragte Anna. „Kann ich mal reingucken?“
„Lieber nicht!“, erwiderte Luzie. „Also um die Wahrheit zu sagen ...“ Sie gab sich einen deutlichen Ruck. „Es ist ein – ein Hexenbuch.“
„Ein Hexenbuch?“ David fiel fast vom Stuhl.
Luzie zuckte die Achseln. „Ja, meine sieben Tanten sind Hexen.“ Sie schluckte. „Ich bin übrigens auch eine.“ Salvia lächelte. „Luzie ist eine sehr tüchtige Hexe! Noch dazu geht sie jetzt in die Schule. Das war unser größter Wunsch. Alles, was sie da lernt, bringt sie uns bei.“
„Wir kennen schon sämtliche Buchstaben“, sagte Rubina. „Wir können sie nur noch nicht richtig zusammensetzen.“ „Bald ist es so weit“, versicherte
Pimpinella. „Wir geben uns große Mühe.“
„Weil ihr das Hexenbuch lesen wollt“, vermutete Anna.
Die Tanten nickten.
David runzelte die Stirn. „Könnt ihr denn noch nicht hexen?“
„Das schon“, erwiderte Holly. „Viele Sprüche wissen wir auswendig. Aber im Hexenbuch stehen noch mehr.“
Salvia schüttelte ihre grauen Locken nach hinten und rief: „Mit denen lässt sich bestimmt eine Menge anfangen. Das wollen wir unbedingt ausprobieren!“ Pimpinella nickte. „Aber vorher müssen wir sie lesen können!“
„Lesen ist schon toll“, sagte David. „In der Schule machen wir bald eine Lesenacht. Da darf jeder sein
Lieblingsbuch vorstellen. Und Frau Mertens liest uns bis Mitternacht vor.“ „Dürfen wir auch kommen?“, fragte Kamilla begierig.
„Dann bringen wir das Hexenbuch mit!“, rief Majorana.
Luzie runzelte die Stirn. „Nein, das will ich nicht. In der Schule sollen sie nichts von euch wissen!“
„Warum denn nicht?“, erkundigte sich Holly gekränkt.
„Hexen sind
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