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Eine Hexe in Nevermore

Eine Hexe in Nevermore

Titel: Eine Hexe in Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Bardsley
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wach bleiben und dadurch noch mehr leiden muss.«
    »Wir müssten sie einfach in einen tieferen Schlaf versetzen«, sagte Grit nachdenklich. »Eins-zu-eins-Magie. Jeder Zauberspruch hat seine Grenzen, jeder Fluch auch. Man kann sich schließlich nicht um alles kümmern, richtig? Na eben. Lucy muss die Möglichkeit bekommen, in ihrem Unterbewusstsein an einen Ort zu gelangen, an dem der Fluch sie nicht erreicht.«
    In Gray keimte Hoffnung auf. Es war ein grausamer Fluch, aber er konnte sich nicht selbst korrigieren. Das konnte kein Zauberspruch. Allen Zauberformeln lagen bestimmte Parameter zugrunde, und mehr als das Gewünschte konnten sie nicht erwirken. Magie war lebendig, aber nichts selbstständig Denkendes. Magie kannte weder moralische noch ethische Grundsätze. Magie war von ihrem Meister abhängig. Er entschied, was geschehen sollte.
    »Ich würde die Sugandi-Wurzel bevorzugen«, murmelte Grit. »Aber wir haben keine da. So ein Pech. Dann müssen wir es mit heiligem Basilikum probieren.«
    Den Anweisungen seines Großvaters folgend, stellte Gray sorgfältig eine Räuchermischung aus heiligem Basilikum und einigen anderen Zutaten her. Dazu kam der Zauberspruch, der laut Grit unbedingt hinzugefügt werden musste – was weitere Zeit in Anspruch nahm. Immer wieder hörte er von oben Lucindas Schreie, und jedes Mal setzte sein Herz für einen kurzen Moment aus.
    Endlich war es geschafft.
    »Du musst die Räuchermischung so nahe wie möglich neben ihr verbrennen, damit sie den Rauch einatmet«, instruierte Grit ihn. »Und du musst dabei mit ihr traumgehen. Sonst kommt sie vielleicht nicht mehr raus, denn denk dran, Junge: Das Zeug hat eine berauschende Wirkung. Auch du darfst nicht vergessen, dass du dich in einem Traum befindest. Ihr könnt beide in euren Gedanken gefangen werden, wenn ihr nicht aufpasst.« Sein Großvater klang ernsthaft besorgt.
    »Das wird nicht passieren«, versprach Gray. »Ich komme wieder zurück, und sie auch.«
    »Viel Glück, mein Junge.«
    »Ja, Mann«, stimmte Dutch ein. »Wir sehen uns auf der anderen Seite.«
    Gray nahm die Schale mit der Räuchermischung und lief schnell zurück ins Schlafzimmer. Wahrscheinlich würde Lucy völlig gerädert sein, wenn sie wieder aufwachte. Aber das musste ihn jetzt noch nicht kümmern.
    Jetzt musste sie erst einmal die nächsten drei Tage überleben.

5. KAPITEL
    Ember hatte nie an ihrer Göttin gezweifelt, doch manchmal missfielen ihr die Methoden, die sie wählte. »So viel Leid«, murmelte Ember, als sie die Duftkerzen auf ihrem Altar entzündete. In ihrem Inneren spürte sie die Antwort. Es ist notwendig. »Ich weiß«, flüsterte sie schwermütig, als die Flammen aufflackerten. »Ich weiß.«
    Herauszufinden, wie die Welt funktionierte, war eine komplexe und oftmals verwirrende Angelegenheit. Die verschiedenen Kulturen hatten unterschiedliche Erklärungen für das gefunden, was im Grunde dasselbe war. Die magischen Wesen gingen sogar so weit zu behaupten, dass sie von unsterblichen Wesen abstammten. Denn auch Menschen mit magischem Talent brauchten Erklärungen.
    Die Göttin Schöpfermutter verkörperte das Beste in jedem Menschen. Sie stand für Weisheit, Barmherzigkeit, Pflege, Mut und Güte. Sie hatte Ember in ihre Dienste berufen, und Ember war diesem Ruf bereitwillig gefolgt. Sie empfand es als große Ehre, eine ihrer Prophetinnen zu sein.
    Das Geschenk der Göttin hatte sie jedoch der Hälfte ihrer menschlichen Sehkraft beraubt. Bevor sie das Heiligtum betrat, ihre Hauskapelle, die einst ein begehbarer Kleiderschrank in ihrem Schlafzimmer gewesen war, nahm sie immer die Brille ab. Sie fuhr mit dem Finger über die Haut unter ihrem blinden Auge und fragte sich, ob sie stark genug war, zu tun, was getan werden musste.
    Ja, meine Auserwählte. Die Gewissheit der Göttin nahm ihr die Last ihrer Sorgen.
    Ihre Großmutter hatte Ember gelehrt, dass der Weg wichtiger war als das Ziel. Ganz egal, für welchen Weg man sich entscheidet, Kleines. Alle Wege führen zur Göttin.
    Nun, nicht alle Wege.
    Denn alles im Universum hatte eine gegensätzliche Entsprechung – das war nötig, um das Gleichgewicht zu erhalten. Wie konnte man Freude empfinden, ohne die Sorge zu kennen? Wie konnte man Frieden verspüren, wenn man nicht vorher in Aufruhr gewesen war?
    Die Welt war ein Ort des Lernens. Es gab andere Welten nach dieser, in denen Ruhe und Erleuchtung warteten. Dort konnte man absolute, endlose Freude erlangen, wenn die eigene Seele wahrhaftig danach

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