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Eine Hexe in Nevermore

Eine Hexe in Nevermore

Titel: Eine Hexe in Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Bardsley
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unterdrücktes Schluchzen verwandelt, als er das Portal betrat. Magie flirrte um ihn herum, er spürte einen Windhauch, und dann, beinahe sofort, Licht. Er hatte gar nicht überlegt. Er hätte genauso gut im Büro des Sheriffs herauskommen können, aber irgendwie hatte Ember es geschafft, ihn direkt in sein Haus transportieren zu lassen. Offensichtlich wusste sie, dass sich dort ein Portal – beziehungsweise mehrere – befand. Er wollte jetzt nicht darüber nachdenken, woher sie all ihr Wissen hatte. Als er sein Schlafzimmer betrat, weinte er beinahe selbst. Rasch bettete er Lucinda auf sein großes ungemachtes Bett und war dabei so sanft wie möglich. Da lag sie nun auf der schwarzen Decke. Sie sah aus wie eine zerbrochene Porzellanpuppe, die jemand in eine Teergrube geworfen hatte. Während Gray ihr vorsichtig ein Kissen unter den Kopf schob, biss Lucinda die Zähne zusammen und stöhnte, aber wenigstens ließ sie keinen dieser herzzerreißenden Schreie mehr los. Sie zuzudecken traute er sich nicht. Er wollte ihr nicht noch mehr Schmerzen zufügen.
    Plötzlich öffnete sie die Augen und sah ihn an. »Warum riecht es hier so nach Füßen und Fleischwurst?«
    Dann wurde sie ohnmächtig.
    Gray konnte nicht aufhören zu lachen. Er setzte sich auf den Bettrand und vergrub seine Finger in der Bettwäsche – damit er ihr nicht die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Füße und Fleischwurst. Er schnüffelte und verzog das Gesicht. Es roch definitiv nach Mann, mit Erotik hatte das aber wenig zu tun. Das musste sich ändern. Er würde das Zimmer in Pink streichen und sogar Vanilleduftkerzen anzünden, wenn sie es wollte. Aber jetzt war dafür keine Zeit. Zuerst musste er sich an seine Traumgänger-Fähigkeiten erinnern. Er wusste nicht, wie lange sie bewusstlos sein würde, und er wollte etwas tun, um ihr zu helfen.
    Vorsichtig legte er sich aufs Bett, bemüht, sie nicht zu berühren. Er lag nur wenige Zentimeter neben ihrem vor Nässe triefenden, zerschundenen Körper, und betrachtete sie. Selbst jetzt zuckte und wand sie sich noch, obwohl sie, wie Ember es vorausgesagt hatte, in einen tiefen Schlaf gesunken war. Ihr Brustkorb hob und senkte sich rhythmisch, während er ihren schönen Anblick genoss. Sie hatte wirklich eine tolle Figur. Und was für ein mieser Typ war er, dass ihm das gerade jetzt auffiel.
    Eines Tages wirst du in der Hölle schmoren, Gray. Schlimmer als vorher.
    Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht wandern, dachte an ihre traurigen grünen Augen, ihr trotzig nach vorn gerecktes Kinn, den Stolz, den sie selbst in ihrer Verzweiflung ausstrahlte. Auch seine Atmung wurde nun tiefer. Er murmelte ein Gebet für seine Ahnen aus dem Haus der Drachen und bat sie um ihren Schutz, bevor er die Welt der Träume betrat.
    Binnen Sekunden war er eingeschlafen.
     
    Der Himmel glühte in einem schimmernden Perlmuttpink, wie das Innere einer Muschel. Lucinda konnte keine Sonne und auch keine andere Lichtquelle sehen. Sonderbar. Vielleicht kam das Licht ja von diesem Pink.
    Sie lag auf einem unvorstellbar weichen Material. Etwas Seidiges umschmeichelte ihren Körper, doch sie wollte ihren Kopf nicht bewegen, nicht einmal die paar Zentimeter, um an sich herunterzublicken.
    Die Schmerzen waren wie weggeblasen.
    Lucinda konzentrierte sich auf den endlosen Himmel. Nach einer Weile bemerkte sie, dass sie auf einer Art Fluss dahintrieb. Sie hatte Angst, dass Bernards Fluch sie treffen würde, wenn sie sich bewegte oder zu heftig atmete. Dann würde sich ihr Blut in Feuer verwandeln und ihre Knochen in Säure. Die sanfte Bewegung des Wassers lullte sie ein. Sie fühlte sich sicher an diesem seltsamen Ort.
    Ich träume.
    Oh. Das ergab Sinn. Sie rollte sich langsam auf die Seite und sah hinaus auf ein lilafarbenes Meer. Ihr »Boot« war ein Rechteck aus dickem Moos. Der seidige Stoff, der sie umhüllte, gab ihr mehr Trost, als dass er wärmte. Als sie ihn lüpfte und an sich heruntersah, musste sie kichern. Sie trug einen silbernen Bikini.
    Das Moosboot trieb auf die Bucht einer Insel mit einem endlosen weißen Sandstrand zu. Gleich dahinter begann ein tropischer Dschungel, der von Palmen umgeben war. Sie sah einen Mann am Wasser stehen. Er hielt sich eine Hand schützend über die Augen, während er beobachtete, wie sie mit ihrem Boot immer näher in die Bucht trieb.
    »Schwimm!«, rief er ihr zu. »Das Wasser ist herrlich!«
    War das Gray? Sie war überrascht, ihn in ihrem Traum zu sehen. Er schien auf sie zu

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