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Eine Hexe in Nevermore

Eine Hexe in Nevermore

Titel: Eine Hexe in Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Bardsley
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verlangte. Tja. Ember stellte sich das Nirwana als eine im wahrsten Sinne des Wortes unendlich langweilige Angelegenheit vor.
    Der Dunkle Herrscher war das Gegenteil der Göttin. Zwar war auch seine Natur unabänderlich, doch er stand für Ungeduld, Gier, Egoismus, Gewalt und Hass. Er wollte immer das besitzen, was er nicht haben konnte. Und er veranlasste andere, genauso zu empfinden.
    In Nevermore hatte sich das Gleichgewicht gefährlich verschoben, und zwar unter den Augen des Hüters. Gray Calhoun musste seine eigene Reise unternehmen, doch er und Lucinda waren ein wesentlicher Bestandteil des Dramas, das sich bald abspielen sollte.
    Man würde Ember brauchen.
    Doch fürs Erste war sie nur die Inhaberin einer Teestube, die mit einem plötzlichen Zuwachs an Gästen fertigwerden musste, seit der Hüter Cathleens Café geschlossen hatte.
    Ember blies der silbernen Statue der Göttin ein Küsschen zu und erhob sich. Dann sammelte sie Energie und benutzte sie, um alle Kerzen zu löschen. Kehr zurück, befahl sie der Magie, und vielen Dank. Sie verließ die Kapelle und betrat ihr Schlafzimmer.
    Rilton Sanders saß auf dem Bett und wartete auf sie.
    Er war groß, ihr Ehemann, fast fünfzehn Zentimeter größer als sie. Außerdem war er weiß und sehr dünn. Seine ganze Gestalt mutete ein wenig merkwürdig an, so als hätte jemand Weidenäste zusammengebunden und ihnen einen Kopf aus Pappmaschee aufgesetzt. Rilton war knapp zehn Jahre jünger als Ember und trug sein blondes Haar zu einem Zopf zusammengebunden, der ihm bis zur Mitte des Rückens hinunterbaumelte. Er war unfassbar freundlich, auf seine spezielle Art gut aussehend – und er liebte sie bedingungslos.
    Rilton war ihre zweite Hälfte.
    Als sie ihr Leben der Göttin weihte, hatte sie all ihre Träume hintangestellt. Es stand gar nicht zur Debatte, sich einmal zu verlieben. Und sie hätte vor allem niemals der Prophezeiung geglaubt, die ihr als Seelengefährten einen übermäßig gebildeten weißen Jungen, der auf einer Weizenfarm in Kansas aufgewachsen war, zur Seite stellte. Manchmal vermutete Ember, die Göttin besaß einen gewissen Sinn für Romantik. Oder sie hatte Humor.
    »Bist du in Ordnung?«, erkundigte sich Rilton.
    »Nein. Das wird echt schwierig.«
    »Was kann ich tun?« Er streichelte ihr übers Haar. So war Rilton. Er bot ihr sofort seine Hilfe an, ganz ohne Voreingenommenheit. Er war ein aufmerksamer und besonnener Mensch, und immer, wenn sie ihn um Rat bat, überlegte er sich seine Antwort gut. Manchmal nervte es, darauf zu warten, bis er eine Sache aus sämtlichen Blickwinkeln beleuchtet hatte, bis er schließlich zu einem Schluss kam. Die schnellste Entscheidung, die er je getroffen hatte, war die gewesen, sie zu heiraten. Diese Entscheidung traf er nämlich bereits in derselben Minute, in der er sie kennenlernte.
    Rilton log auch nie. Er mochte es nicht, Menschen zu verletzen, daher behielt er die Wahrheit oft lieber für sich. Er war ein Mann ohne Geheimnisse, aber die Geheimnisse anderer waren bei ihm gut aufgehoben. Embers Geheimnisse kannte er alle, und er liebte sie trotzdem.
    Jetzt lehnte sie sich an ihn, und er legte ihr einen Arm um die Schulter. »Wir sollten wieder in den Laden gehen«, sagte sie schließlich, unfähig, das Seufzen in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Viele Leute brauchen Fürsorge.«
    »Du aber auch.«
    Der rauchige Klang seiner Stimme verriet ihr, an welche Art von Fürsorge er dachte. Sie sah ihn an. Ihr rechtes Auge betrachtete seinen Körper, das linke seinen Geist. Er war ein ganzer Mann, im Einklang mit sich und der Welt. Deshalb konnte sie ihn so sehen – und andere nicht. Es verursachte ihr Schmerzen, Menschen anzusehen, die kein inneres Gleichgewicht besaßen. Rilton hatte extra eine Brille für sie anfertigen lassen, mit der ihr linkes, ihr spirituelles Auge von dem hässlichen Anblick der menschlichen Seelen verschont blieb.
    Er küsste sie zärtlich und drückte sie sacht aufs Bett. Ember schlang die Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss.
    Das Leben war dazu da, gelebt zu werden, auch in den kleinsten Momenten. Und ein Leben ohne Liebe, das war kein Leben.
     
    Lucinda erwachte auf dem weichen weißen Sand. Über ihr wölbte sich der perlmuttfarbene Himmel, sanft streichelten sachte Wellen über ihre Füße.
    Einen Moment lang tat sie nichts anderes, als sich an ihrem gleichmäßigen Herzschlag zu erfreuen und an ihrem Atemrhythmus.
    Sie war in Sicherheit. Dieses absolute Wissen umhüllte sie

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