Eine Hexe in Nevermore
seine Arbeit besser gemacht, als sein Enkel sie jemals machen würde. Gray hatte diese Position nicht verdient. Es war unfair, dass er das Geburtsrecht besaß. Er konnte das Amt stolz und ohne Angst vor Repressalien ausüben. Ich war ein Geheimnis. Wut keimte in ihm auf. Es war mehr als angemessen, dass Gray mit seinem Blut bezahlte. Dann bekam er endlich, was ihm zustand.
»Sie wollte, dass sie leiden, so wie Daddy gelitten hat. Ich habe es meiner Mutter versprochen, bevor sie starb. Ich versprach ihr, dass uns Gerechtigkeit widerfährt.« Cathleen hatte sich so sehr aufgeregt, dass er ihr noch mehr Whiskey gab. Sie kippte drei Gläser in kürzester Zeit.
Cathleen hatte gekichert. »Glaubst du etwa, der Dunkle Herrscher gibt sich damit zufrieden, dass er über den Tod herrscht? Seit Anbeginn der Zeit versucht er einen Teil von dieser Welt zu bekommen!«
Ein Wesen, das so mächtig war wie der Dunkle Herrscher, hatte es nicht nötig, sich für einen Ort wie Nevermore zu interessieren. In diesem Moment wurde ihm klar, dass Cathleen total verrückt geworden war. Ihre Mutter hatte sie ihr Leben lang angelogen, ihr Lügen erzählt. Sie konnte nicht mehr unterscheiden, was wahr und was falsch war. Cathleen hatte immer an dem Ort gelebt, an dem ihre Familie auseinandergebrochen war. Niemand mochte sie. Am Ende war sie von ihrer Habgier und Verzweiflung übermannt worden.
Zauberkraft und Nevermore, das war es, was er wollte, aber vielleicht waren seine Träume zu bescheiden. Er dachte nur so klein, weil diese Stadt ihn so klein gemacht hatte. Vor fünf Jahren, als er die Wahrheit über seine Herkunft erfahren hatte, hatte er sich minderwertig gefühlt. Wie ein Nichts.
Er wollte auf keinen Fall so enden wie Cathleen Munch.
»Es darf kein Happy End für sie geben. Nein, nein, nein! Du wirst ihn umbringen, verstanden? Das sind wir der Vergangenheit schuldig! Und meiner Familie!« Sie schleuderte die Whiskeyflasche von sich. Sie prallte gegen die Wand und zerbrach. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit rann die Wand herunter und bildete eine Lache auf dem Fußboden.
»Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Gray umzubringen«, hatte er erwidert.
Und da rastete sie vollkommen aus. Sie kreischte und versuchte ihm die Augen auszukratzen. Sie trat ihn und spuckte ihn an und plapperte die ganze Zeit wirres Zeug. Verdammt! Er hatte nur gewollt, dass sie endlich die Klappe hielt. Sie hatte irgendeinen Mist vom Dunklen Herrscher gebrabbelt. Dabei wusste jeder, dass die Schöpfermutter und der Zerstörervater ihre Kinder nur beeinflussen, sie aber nicht beherrschen konnten. Das war das einfachste Gesetz der Zauberei: Jedes lebendige Wesen ist aus demselben Stoff gewebt, aus Licht und Dunkel, und ist eins mit dem Ganzen. Wenn der Dunkle Herrscher also versuchte, ins Reich der Sterblichen vorzudringen, wäre das vergleichbar mit dem Versuch eines Menschen, Arme und Beine miteinander zu vertauschen: nämlich sinnlos.
»Dumme Kuh.« Er stellte sich neben die Leiche. Er war wütend. Cathleen war im Tod genauso hässlich wie im Leben. Ihr untersetzter Leib in diesen pinkfarbenen Jogginganzug gezwängt – igitt. Sie sah aus wie eine schlecht verarbeitete Wurst.
Ihm wurde wieder schlecht, und er drehte sich um und verließ die Küche. Im Gastraum lehnte er sich gegen die Resopaltheke und stützte den Kopf in die Hände.
Noch elf Tage bis Neumond.
Gray hatte vor, am nächsten Tag mit der Erneuerung der Schutzformeln zu beginnen. Sobald die Stadtgrenzen wieder magisch verstärkt waren, würde es schwerer für ihn werden, wenn nicht sogar unmöglich, das Portal für Kahl zu öffnen.
Er musste sich also etwas einfallen lassen, damit der Hüter erst später anfangen konnte.
Der bittere Geruch des Whiskeys stieg ihm in die Nase und verstärkte sein Gefühl von Übelkeit. Doch dann nahm eine Idee in seinem Kopf Gestalt an. Er richtete sich auf und steuerte auf die zerbrochene Flasche Whiskey zu.
Perfekt.
11. KAPITEL
Es war kurz nach Mitternacht, als die Damen ihre Habseligkeiten einsammelten und sich auf den Weg nach Hause machten.
Lucinda stand neben Gray im Hausflur und wünschte allen eine gute Nacht. Sie war erschöpft, aber glücklich und diesen netten Frauen so dankbar, dass sie ihr geholfen hatten.
Maureen hatte ihr erklärt, dass genau das die Bewohner von Nevermore auszeichnete – man half sich in der Not, ganz egal, um was es ging. Lucinda fand es beschämend, wie bereitwillig alle mithalfen, ohne eine Gegenleistung zu
Weitere Kostenlose Bücher