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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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regte an, dass Molch für heute
genug Übung im Nicht-Töten hatte. Er und Gwurm warteten am Rand des Feldes,
während ich mich mitten zwischen die geschäftigen Zelte und klapprigen
Holzkonstruktionen wagte. Die Baracken der Soldaten bestanden in einer
Ansammlung von gleichförmigen Segeltuchzelten im Osten. Die Familien kampierten
im Norden. Die Prostituierten hatten ihren Platz im Süden. Und die Händler und
Handwerker hatten einen notdürftigen Marktplatz im Westen aufgebaut. Es schien
eine gute Saat für ein Dorf zu sein, eines Tages vielleicht sogar für eine respektable
Großstadt, aber im Augenblick waren es einfach nur viele Leute, die sich im
Schatten eines halbfertigen Forts scharten.
    Der Gestank beeindruckte mich
besonders. Die meisten Tiere haben genug Verstand, ihr Zuhause sauber zu
halten. Die Menschen stellten da aber offenbar eine Ausnahme dar. Wenige Wesen
waren in der Lage, in so kurzer Zeit eine solche Schweinerei zu veranstalten.
Sie ordentlich zu entsorgen wäre ein eigener Berufszweig gewesen. Nach den
zahllosen Hügeln von Kot, dem schimmelndem Gemüse und verwesendem Fleisch zu
urteilen, gab es niemanden aus diesem Gewerbe in der Zeltstadt. Den Leuten
schien es nichts auszumachen, aber sie stanken selbst nach Schweiß und
mühevoller Arbeit, warum sollten sie also? Ich für meinen Teil fand durch
meinen Fluch etwas Trost in dem Gestank.
    Ich wanderte zwischen den Zelten
herum und schätzte jeden, den ich sah, danach ein, ob er eine potentielle
Mahlzeit sein könnte. Ich entdeckte, dass ich eine sehr wählerische Esserin
war.
    Fast alle waren entweder zu fett oder
zu dünn oder zu ölig oder zu zäh. Es gab herzlich wenige, die irgendwie
anziehend gewesen wären, obwohl es ungefähr ein Dutzend gab, an denen ich unter
den richtigen Umständen vielleicht einmal geknabbert hätte.
    Am Interessantesten fand ich das
südliche Ende der Stadt. Die Prostituierten traten in zahllosen Varianten auf.
Manche waren klein und dick. Andere groß und schlank. Klein und schlank. Groß
und dick. Hässlich. Hübsch. Alt. Jung. Dunkel. Hell. Unter meiner gesamten
Kleidung war ich schöner als jede von ihnen. Ich hätte hier als leichtes
Mädchen sehr gut leben können. Da ich jedoch nie mit einem Mann das Bett
geteilt hatte, musste ich mich natürlich fragen, was passieren konnte, sollte
ich mich je in einem wenn auch noch so kurzen sinnlichen Moment verlieren. Da
der bloße Gedanke daran mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, vermutete
ich, dass ich wenig Stammkundschaft gehabt hätte. Meine Grübeleien wurden durch
ein grobes Grunzen unterbrochen. »Du da! Du bist neu, oder?«
    Ein kleiner Mann tauchte aus einem
der Zelte auf. Mit finsterem Blick zog er seine Hose hoch. Er war nicht
unattraktiv, mit einem Gesicht, das für seinen dünnen Körper zu pausbäckig
schien. Dazu hatte er leicht schiefe Zähne.
    Mein dunkles Verlangen flüsterte:
»Nicht schlecht. Saug die Augen heraus und heb die Zunge für später auf.«
    »Ich habe den Männern gesagt, dass
wir nicht noch mehr Prostituierte brauchen können«, grunzte der Mann.
    Ich wollte seinen Irrtum gerade
richtig stellen, als eine weitere Stimme aus demselben Zelt drang.
    »Sie ist keine von uns. Sie ist
eine Hexe.« Eine Frau, in eine Decke gewickelt, trat heraus. Sie hatte langes,
blondes Haar und einen Körper, der sich nicht so leicht verstecken ließ. Sie
war schmal, ohne knochig zu wirken, genauso schön wie ich, bis auf eine gewisse
Müdigkeit in ihrem runden Gesicht.
    Mein innerer Gnoul murmelte: »Sehr
gut. Ein Happen, der auf der Zunge zergeht.«
    »Ich habe recht, oder?«, fragte
die Prostituierte.
    Ich nickte.
    »Hexe? Und was tust du, Hexe?«,
fragte der Soldat.
    »Ich kommuniziere mit verbotenen
Geistern. Ich spreche mit Tieren und Pflanzen. Ich werfe Knochen. Ich heile.
Ich verfluche. Und ich erwecke die Toten zum Leben.«
    »Kannst du auch von Warzen
befreien?«
    »Ja. Außerdem kenne ich Mittel und
Wege, all die kleineren Beschwerden loszuwerden, die sich deine Männer in ihren
dienstfreien Stunden einfangen könnten.«
    Er nickte. »Sehr gut. Du kannst
bleiben.« Er marschierte zurück ins Zelt und knöpfte seine Hose auf. Die Frau
schickte sich an, ihm zu folgen.
    »Woher wusstest du, dass ich eine
Hexe bin?«
    »Der Hut. Der Besen.« Sie zuckte
die Achseln. »Ist doch offensichtlich.«
    Der Soldat grunzte aus dem dunklen
Zelt. »Morgenröte!«
    »Bitte entschuldige mich.«
    Sie verschwand im Zelt. Ich war
wieder allein zwischen dem

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