Eine Hexe mit Geschmack
es frisch war,
schmeckte es köstlich. Wenn Goblingfleisch also nicht innerhalb von Stunden
schlecht wird, verschwindet dieser Kamerad hier nach und nach, ein Sinn nach
dem anderen.«
»Ja, und?«
»Das bedeutet etwas. Etwas
Wichtiges.«
»Was?«
»Ich weiß es nicht.«
Ich beugte mich über den Gobling
und starrte ihn an. Sein halb geöffnetes, orangefarbenes Auge starrte zurück
und weigerte sich, mir seine Geheimnisse zu enthüllen.
Plötzlich warf Molch ein neues
Thema auf: »Ich habe ein paar Beobachtungen an deinem Körper gemacht, während
ich darin war. Willst du sie hören?«
Ich antwortete nicht, vertieft in
die Betrachtung des ausgeweideten Leichnams.
Molch nahm das als Zeichen
weiterzureden. »Zunächst einmal bist du stärker, als du dir anmerken lässt. Ich
wette, du könntest einem Mann das Genick brechen.«
Nur halb zuhörend antwortete ich:
»Aus dem richtigen Winkel sehr leicht, aber eine gute Hexe gebraucht keine
brutalen Mittel.«
»Und noch etwas, ich habe vorhin
deinen nackten Körper untersucht.«
Ich runzelte die Stirn.
»Keine Sorge. Ich war im Zelt.
Niemand konnte mich sehen.«
Ich war zu sehr auf den Gobling
konzentriert, um mir die Mühe eines Vortrags zu machen.
»Und ich habe nachgedacht«, sagte
Molch. »Wenn dies ein Fluch ist, warum solltest du dann so schön sein? Zuerst
dachte ich, es sei ein Fehler. Dann fiel mir ein, dass unsere Herrin ein- oder
zweimal gesagt hat, dass Magie keine Fehler macht.«
Ich erinnerte mich ebenfalls
daran, und meine Aufmerksamkeit wandte sich mehr meinem Vertrauten zu als der
Leiche.
»Es stimmt, oder?«, fragte Molch.
»Ja. Magie fehlt nur der Wille,
selbst zu agieren«, sagte ich. »An dieser Stelle kommen Hexen und Zauberer und
dergleichen ins Spiel. Durch uns findet sie zu ihrem Zweck.«
»Ihr macht Vorschläge, und die
Magie handelt nach diesen Vorschlägen. Normalerweise genauso, wie es von ihr
verlangt wird, da sie selbst nicht besonders kreativ ist. Aber manchmal, nur
manchmal, fällt ihr doch etwas ein, das ihr besser gefällt.«
»Willst du damit sagen, dass mich
mein Fluch absichtlich schön gemacht hat?«
Er nickte energisch. »Wenn Fehler
unmöglich sind, dann muss ich davon ausgehen. Und wenn du absichtlich so schön
gemacht wurdest, dann, habe ich mich gefragt, aus welchem Grund?«
»Ich bin sicher, du hast dir eine
entsprechende Theorie ausgedacht.«
»Du bist keine scheußliche Bestie,
die dazu bestimmt ist, auf Friedhöfen herumzuschleichen. Du bist ein
verführerisches Raubtier, ein Ghoul in einem weichen Körper, der vielleicht
Männer in deine Arme treiben soll, wo sie in deiner liebenden Umarmung den Tod
finden.«
Meine sinnlichen Begierden waren
eng mit meinem Appetit verknüpft. Beinahe untrennbar. In meinem untoten Geist
waren ein guter Mann und eine gute Mahlzeit ein und dasselbe. Das störte mich.
Ich wusste nicht, warum. Ich hatte mich bereits damit abgefunden, mich diesen
doppelten Freuden des Fleisches hinzugeben. Aber als Molch sie nun so eng und
logisch miteinander verknüpfte, wurde mir bewusst, wie verflucht ich war.
Molch hatte es als Kompliment
gemeint. Er sah mich jetzt mit anderen Augen. Es war eine stille Ehrfurcht, ein
neu gewonnener Respekt. Ich war ein perfektes Raubtier, auch wenn ich es nicht
wollte.
Statt darüber nachzugrübeln,
kehrte ich zu meiner Untersuchung des Goblings zurück. Hastig stopfte ich die
Innereien wieder hinein, fuhr mit den Fingern an dem gespaltenen Oberkörper
entlang und brannte das Fleisch durch Magie wieder zu. Ich hielt den kleinen
grünen Körper hoch. Seine leeren, orangefarbenen Augen rollten in ihren Höhlen
herum. Seine schwarze Zunge hing zwischen geöffneten Lippen hervor.
»Na schön, mein kleiner Freund, du
scheinst tot zu sein, aber ich vermute, du warst nie wirklich lebendig. Lass es
uns herausfinden, in Ordnung?«
Ich bündelte meine Kraft, die die
Toten aufwecken konnte, und richtete sie auf den Gobling. Es gab keine Seele in
diesem Fleisch. Es sollte auch keine da sein, aber ich hatte den Verdacht, dass
die Kreatur nie eine besessen hatte. Wenn dem so war, dann war jeglicher
Anschein von Leben oder Tod allenfalls fraglich. Ich ignorierte die fehlende Seele
und zwang den Gobling ins Leben zurück.
Die Kreatur wurde ruckartig
lebendig. Da sie so schwer beschädigt und verwest war, besaß sie nicht viel
Energie. Das Wesen schlug schwach mit Armen und Beinen um sich. Es flatterte
mit den Flügeln. Es knirschte mit den Zähnen und zischte kaum
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