Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
Vom Netzwerk:
kann.«
    Wyst aus dem Westen stimmte ihm
zu. »Ja, Hexe. Du sagtest, dies würde hilfreich sein. Oder nicht?«
    Er sah mir in die Augen - und
diesmal wandte ich den Blick nicht ab. Ich musste lächeln, hoffte aber, es
wirkte unbestimmt und mysteriös und nicht von diesen dunklen Augen betört.
    »Ja, die Magie der Horde ist zwar
mächtig, doch es gibt eine Schwachstelle. Auch ein gemeinsamer Traum bleibt
trotz allem nur ein Traum. Und Träume, wie alle Illusionen, können durch
Zweifel, die stark genug sind - und in diesem Fall mit ein wenig Magie -
zerstreut werden. Ich kann einen Tropfen Zauber auf die Waffen eurer Männer
legen. Genug, dass der kleinste Schnitt den Traum aufhebt.«
    Wieder leuchteten die Augen des
Hauptmanns auf, doch diesmal war er darauf gefasst, gleich enttäuscht zu
werden. »Aber?«
    »Um die Magie anzurufen, müssen
die Männer in ihren Herzen ohne jeden Zweifel wissen, dass das, was sie finden,
nur eine Armee von Geistern ist.«
    »Eine Armee von Geistern, die
nichtsdestotrotz real genug sind, um sie bei lebendigem Leib zu verschlingen«,
sagte der Hauptmann.
    »Es wird solche Männer geben.
Diejenigen, die nicht genug Phantasie haben, um selbst an einen gemeinsamen
Traum wirklich zu glauben. Andere mit zu viel, sodass sie den Verdacht haben, dass
die ganze Welt nur ein Traum ist. Solche Männer, gut bewaffnet, werden die
Horde ungeschehen machen. Wenn es genug von ihnen gibt.« 
    »Und wie viele genau werden genug
sein?«, wagte der Hauptmann zu fragen.
    »Mehr als ihr haben werdet«,
antwortete ich ehrlich, »aber da die Goblings so nahe an der Realität sind, wie
Geister es nur sein können, können sie auch ohne Magie bekämpft und getötet
werden. Die wenigen, die dazu fähig sind, die Horde unzuglauben, werden einfach
nur effizienter sein. Wenn ihr Glück habt, wird die Zahl der Ungläubigen groß
genug sein, um das Blatt zu wenden.«
    »Du klingst nicht sehr überzeugt.«
    Ich konnte keine Versprechen
machen, und das sagte ich den Männern mit düsterem Gesicht. Der Hauptmann hatte
es zwar nicht so gut verstanden, wie ich gehofft hatte, aber jetzt war ein
guter Moment gekommen, um auf traditionelle Hexenart ohne ein weiteres Wort zu
verschwinden und meine Zuhörer sowohl etwas weiser als auch etwas verwirrter
zurückzulassen.
    Wyst aus dem Westen stand zwischen
mir und der Tür. Er trat beiseite, als ich dicht an ihm vorüberging. Ich
dachte, er müsse durch meine hässliche Maskerade abgestoßen sein, aber er sah
mir weiterhin in die Augen. Angeekelte Leute taten das nicht. Andererseits sah
ich selten jemandem in die Augen, aber nun konnte ich nicht anders. Morgenröte
hatte recht gehabt. Diese Augen, diese Ohren, diese Schultern, diese dunkle,
köstliche Haut, und diese reine, tapfere Seele. Dies waren meine Gründe, hier
zu sein.
    Diese Gründe verdarben beinahe
meinen Aufbruch, aber ich brachte doch genug Willensstärke auf, um den Blick
von diesem anziehenden Gesicht abzuwenden. Ich ging zur Tür hinaus, sehr stolz
auf mich, weil ich es mit intakter Hexenwürde tat. Draußen hielt ich kurz inne,
um zu keuchen und das Prickeln in mir abzuschütteln.
    Erst dann wurde mir bewusst, dass
ich mein Hinken und meinen Buckel vergessen hatte. Solche Fehler waren
unverzeihlich, aber neben dem Fehlen meines Vertrauten und meines Besens
verblassten sie. Sie hätten mir aus dem Büro folgen sollen. Nun stand ich vor
einem Dilemma. Entweder zurückgehen und sie holen und so zerstören, was von den
letzten Fetzen meines dramatischen Abgangs noch übrig war, oder ohne sie zu
meinem Zelt zurückkehren. Die Tür öffnete sich, während ich überlegte. Molch
kam heraus. Penelope schwebte hinter ihm.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Ich
war so damit beschäftigt, mein Essen unten zu behalten, dass ich nicht bemerkt
habe, wie du gegangen bist.«
    Penelope rüttelte ihre eigene
Entschuldigung. Der staubige Boden des Hauptmanns war für die Arme sicherlich
eine schreckliche Ablenkung. Es war ihre Besennatur.
    Ich verzieh ihnen. Ich hatte in
Wysts Gegenwart meine eigenen Ablenkungen erlitten. Penelope glitt in meine
Hand, und Molch nahm seinen Platz an meiner Seite wieder ein. Ich krümmte mich
tiefer und zog mein Bein hinter mir her, als würde es abfallen, wenn ich es nur
vom Boden hob.
    Gerade war ich im Schneckentempo
acht Schritte weit gekommen, als mich die Stimme des weißen Ritters zurückrief:
»Halt, Hexe!«
    Das Bedürfnis zu laufen ergriff
mich. Ich wusste nur nicht, in welche Richtung.

Weitere Kostenlose Bücher