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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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hat auch mit mir ein
paar Geheimnisse geteilt.«
    »Vielleicht sollten wir uns
austauschen.«
    Ich trat dicht hinter ihn.
»Vielleicht auch nicht. Wenn die Magie wirklich wollte, dass wir es wissen,
hätte sie es uns bereits gesagt.«
    »Ausgezeichnetes Argument, aber du
kannst nicht ernsthaft erwarten, mich zu besiegen. Mein Wille ist hier Gesetz.
Das ist das Perfekte an meinem Traum. Die alte Welt ist ein Chaos, ein
Durcheinander von Tausenden und Abertausenden von Teilen, die zusammengeworfen
wurden. Meine Welt soll eine wundervolle Einheit sein. Die Schöpfung eines
einzelnen Willens und mit nur einem Zweck: mir zu dienen.« Er wandte sich mir
wieder zu. Eine Saphirträne rollte seine Wange hinab. »Sicher kannst du die
Schönheit darin sehen.«
    »Harmonie vielleicht. Schönheit
nicht. Die Welt ist unordentlich, chaotisch und unvorhersehbar und oft auch zum
Verzweifeln ungewiss.« Ich sah zum Horizont, zu dem Troll, der Ente und dem
weißen Ritter. Jeder hatte seinen Platz in meinem Leben und jeder war mir auf
eine besondere Art wichtig geworden, die ich mir nie vorgestellt hätte. Das war
der Grund, warum ich sie so schätzte.
    »Und ein schönes Chaos«, sagte
ich, »ist tausend geistlose Träume wert.«
    Ich stieß meine Hand in den
sandigen Körper des Seelenlosen Gustav und schloss meine Finger um den harten
Klumpen seines Herzens. Seine Jadeaugen sprangen ihm aus dem Gesicht. Ich zog
sein Rubinherz aus seiner Brust. Sein Körper fiel zu einem Hügel von Schmutz
und Steinen zusammen. Ich zerdrückte den Rubin in glitzernde Splitter.
    »Du dachtest doch wohl nicht, du
könntest mich so leicht töten?«, fragte ein Flecken Moos.
    Das hatte ich zwar nicht gedacht,
aber es zeigte mir, was ich wissen musste. Meine Magie funktionierte selbst in
der Welt des Seelenlosen Gustav. Und was noch wichtiger war, er konnte hier
überrumpelt werden. Er mochte zwar der Herr dieses Reiches sein, aber ich war
kein Teil davon. Ich war ein kleiner Fleck Wirklichkeit in diesem Universum der
Phantome, doch seine perfekte Welt war jetzt mit unperfekter Realität
infiziert.
    »Ich wünsche dir einen guten Tag,
Hexe mit dem unausgesprochenen Namen«, sagte der Seelenlose Gustav aus dem
Moos. »Falls wir uns wiedersehen, verspreche ich dir, dass ich dich schnell töten
werde, denn ich mag dich.«
    »Wir werden uns wiedersehen.« Ich
grinste. »Und ich werde dich schnell töten, aber nur, weil ich Besseres zu tun
habe.«
    Er kicherte, während er
verschwand.
    Ich hielt an und pflückte nur
deshalb eine Blume, um zu beweisen, dass ich seine großartige, makellose
Ordnung stören konnte. Dann machte ich mich auf den Weg zurück zu den anderen.
     
    FÜNFUNDZWANZIG
     
    Wyst verarbeitete seine demütigende
Begegnung sehr schlecht. Es zeigte sich nicht auf offensichtliche Art. Jeder
andere hätte nur einen grüblerischen, entschlossenen Krieger gesehen, ich aber
spürte seinen verdrossenen Ärger über die eigene Machtlosigkeit. Er starrte
stur geradeaus, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen, die Lippen fest
geschlossen, den Kiefer angespannt. Alles kaum wahrnehmbare Anzeichen. Aber für
meine Augen war seine Verstimmung unmöglich zu übersehen. Ich hätte ihn
beruhigt, aber er hatte ja recht. Er war keine Gefahr für den Seelenlosen
Gustav.
    Eine Zauberer-Inkarnation muss
sich noch nicht einmal vor einer ganzen Armee weißer Ritter fürchten. Ich war
nicht einmal sicher, ob er mich fürchten musste. Der Seelenlose Gustav war
nicht unverwundbar. Noch hatte sein schrecklicher Wahnsinn große Chancen, sich
über die ganze Welt auszubreiten. Die Magie fand Vergnügen an der Welt, und die
Magie war stärker als der Seelenlose Gustav, ob Inkarnation oder nicht. Ich
nahm an, dass das Schicksal in diesem Augenblick bereits einen anderen
vor-bereitete, der sich dem Seelenlosen Gustav stellen würde, sollte ich den
entsetzlichen Tod finden, den die Grausige Edna prophezeit hatte. Und noch
einen weiteren, sollte mein Nachfolger dasselbe tun. Die Vorsehung gestaltet ständig
Entwürfe, von denen die meisten nie verwirklicht werden. Das Schicksal ist ein
energiegeladenes Kind mit einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne.
    »Was ich nicht verstehe«, bemerkte
Gwurm, »ist: wenn dies alles eine Illusion des Seelenlosen Gustav ist, warum
verwandelt er dann nicht alles in Treibsand oder einen Vulkan oder so etwas,
und tötet uns einfach gleich?«
    »Bring ihn bloß nicht auf dumme
Gedanken«, sagte Molch.
    »So einfach ist es nicht«,
antwortete ich.

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