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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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ihn nicht dafür
verantwortlich machen.
    Aus Frustration und Langeweile
experimentierten Molch und Gwurm mit unseren Abbildern. Mein Vertrauter vollführte
einen albernen Tanz, nur um zu sehen, wie sein
    Doppelgänger dasselbe tat. Der
Troll tauschte seine Hände und Füße aus und lief auf dem Kopf herum. Sie
verhöhnten die Abbilder mit schielenden Augen und herausgestreckten Zungen. Die
Gesichter waren das einzige Element, das nicht kopiert wurde und ausdruckslos
blieb. Wyst tat nichts. Er stand nur mit seiner Waffe in der Hand da, den
Kiefer verkrampft, voll heldenhafter Entschlossenheit und mit einer Prise
Trotz.
    Molch knurrte. »Ich gehe doch
nicht wirklich so, oder?«
    »Nicht ganz«, antwortete Gwurm.
»Dein Gang hat eine unmerkliche Eigenart, die das Abbild nicht richtig kopieren
kann.«
    Die Ente setzte sich. »Wenn sie
uns also töten, sterben wir, und wenn wir sie töten, sterben wir auch. Mir
fällt nichts mehr ein.«
    »Nicht jedes Problem lässt sich
durch Gewalt lösen.«
    Er hob seinen Schnabel. »Die
meisten schon. Es gibt selten Fälle, die nicht durch ein schnelles Herausreißen
der Eingeweide gelöst werden können.«
    »Wenn du hingehen und dich selbst
ausweiden willst«, schlug Gwurm vor, »nur zu. Wir bleiben hier stehen und sehen
zu.«
    »Ich höre gar keine
Lösungsvorschläge von dir.«
    Gwurm zuckte die Achseln. »Ich
löse Probleme leider selbst meistens mit Gewalt.«
    Molch grinste selbstgefällig und fühlte
sich durch Gwurms Geständnis gerechtfertigt.
    Vielleicht hatte sich der
Seelenlose Gustav letztlich doch eine Prüfung ausgedacht, die meine Suche
beendete. Ich dachte darüber nach, ob man den Tod durch ein Abbild als
entsetzlich bezeichnen konnte. Ich glaubte es zwar nicht, aber es lag eine
unbestreitbare Schrecklichkeit in der paradoxen Situation, in die uns der
Zauberer gebracht hatte. Wir konnten hier entweder für immer sitzen oder in
unseren Tod gehen.
    »Du bist die Hexe«, sagte Molch.
»Es ist deine Aufgabe, solche Hürden zu bewältigen. Fällt dir nichts ein?«
    »Vielleicht. Bleib du hier.«
    »Wo gehst du hin?«, fragten Molch
und Wyst gleichzeitig.
    »Ich gehe mich mit mir selbst
unterhalten.«
    Ich ging los und mein Abbild
bewegte sich, um mich in der Mitte unseres Kampfplatzes zu treffen. Als es
näher kam, bemerkte ich, dass es irgendwie flach wirkte. Es schien nicht ganz
dreidimensional, und als wir dicht voreinander standen, bemerkte ich, dass es
schimmerte, als sei es aus gefärbtem Glas.
    Penelope schlüpfte aus meiner
Hand. Drohend neigte sie sich ihrem Abbild zu.
    Ich grüßte mein Abbild mit einem
leichten Lächeln. »Hallo.«
    Sie blieb ausdruckslos. »Du
hättest nicht herkommen sollen. Du hättest Fort Handfest sterben lassen
sollen.« Sie besaß nicht meine Stimme. Ihre war trocken und monoton, weder hoch
noch tief und vollkommen charakterlos.
    »Spreche hier ich oder der
Seelenlose Gustav?«, fragte ich.
    »Du. Oder besser gesagt das Du,
das sich in mir spiegelt.«
    »Wenn du auf irgendeine Art und
Weise ich wärst, wüsstest du, dass ich das nie könnte.«
    »Ich bin mehr du, als es selbst
der Seelenlose Gustav beabsichtigt hat.« Und sie lächelte, wenn auch nur einen
Augenblick lang.
    Das ergab Sinn. Die Macht des
Zauberers war zwar am gefährlichsten, aber auch am verletzbarsten. Mein Abbild
war so gut konstruiert, dass es etwas von meiner eigenen Magie in sich trug.
Auch an dieser Stelle war seine falsche Welt mit Realität behaftet.
    »Aber ich wurde trotzdem gemacht,
um zu töten oder getötet zu werden«, sagte sie, »und ich muss tun, wofür ich
gemacht wurde.«
    »Das weiß ich. Aber ich nehme an,
dass du als mein Abbild auch weißt, wie ich dich zerstören kann.«
    »Das tue ich zwar, aber warum
glaubst du, dass ich es dir sagen würde?«
    »Weil Hexen nicht lügen. Und ich
glaube, dass du so sehr meine Kopie bist, dass du es auch nicht tun würdest.«
    Sie sah in einer kleinen
selbstständigen Bewegung in den wütenden Himmel hinauf. »Aber wir sprechen oft
nicht die ganze Wahrheit.«
    »Ja, aber zum Handwerk einer Hexe
gehört, Weisheit weiterzugeben.«
    »Selbst ihren Feinden?«
    »Vor allem ihren Feinden.«
    Wir kicherten gemeinsam, auch wenn
ihres ein lebloses, leeres Glucksen war.
    »Die Antwort ist offensichtlich«,
sagte sie.
    »Das sind die meisten Antworten.«
    »Du kennst die Lösung bereits.«
    »Das nehme ich an, da du sie auch
kennst. Aber ich wüsste deinen Rat zu schätzen.«
    »Und wenn ich dich täuschen
sollte?«, fragte

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