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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Macht. Außerdem war es das Produkt eines Verrückten. Dieser
Zauberer wollte die Welt nicht nach seinem eigenen Bild neu schaffen. Er wollte
sie einfach deshalb neu schaffen, weil er es konnte. Zauberei um der Zauberei
Willen, ein gewaltiges Experiment, dazu gedacht, das Herz der Welt
auszulöschen.
    Erst jetzt verstand ich, wie
heimtückisch solch ein Entwurf war. Erst jetzt erfasste ich wirklich die Macht,
der ich mich stellte. Ich hatte Angst und befürchtete, meine Magie könnte ihr
nicht gewachsen sein.
    Angst ist nur schlecht, wenn sie
zu schlechten Entscheidungen führt. Andernfalls kann ein wenig Furcht auch ganz
gesund sein. Ich ließ mir meine Bestürzung nicht anmerken. Wenn die Zeit reif
war, würde sie mich davon abhalten, zu unterschätzen, was mir begegnen konnte.
    »Was ist los?«, fragte Molch.
    »Der Traum eines Verrückten.«
    Ich beließ es dabei. Keiner der
anderen verstand es. Das war aber auch nicht nötig. Wyst trieb sein Pferd an.
Das Ross zögerte, aber als treuer Gefährte eines weißen Ritters hatte es den
Mut, die Grenze zu dieser Zauberspiegelung zu überschreiten.
    Dieser falschen Welt war eine
seltsame Stille eigen, und selbst ihre kleinsten Bewegungen schienen noch
kalkuliert. Das Gras wiegte sich mit unfehlbarer Vorhersehbarkeit. Die Äste der
Bäume schaukelten im Einklang. Die Wolken über uns wirbelten in präzisen faulen
Formen. Das Phantomkönigreich quittierte unsere Ankunft mit einem Minimum an
Reaktion. Unsere Schritte wirbelten kleine Staubwolken auf: alle identisch.
Egal, ob sie von einem Huf oder Trollfuß aufgewirbelt wurden. Das Gras teilte
sich, nur um in Reih und Glied zurückzuschnappen.
    Ich fühlte mich schrecklich
unwohl. Es ging uns allen so, aber ich konnte die Leere in diesem Land spüren.
Es war keinerlei Leben in alledem. Ich konnte nicht mit dem Gras reden oder mit
den Bäumen sprechen. Sie waren tote, leere Dinge. Wenn dies die Art sein
sollte, wie sterbliche Menschen die Welt sahen, was für ein kalter, dunkler Ort
musste ihre Welt dann sein! Ich verstand jetzt, warum sie sich so zwanghaft
zusammenrotteten.
    Wir mussten dem Ende unserer Suche
nahe sein, aber das war nur eine Vermutung. Ich konnte kein einziges Omen in
diesem leeren Land finden, und alles Flüstern der Magie wurde von der
erstickenden Zauberei gedämpft. Ich war so beunruhigt, dass ich die erste
spontane Bewegung in der Landschaft gar nicht bemerkte, bis Gwurm darauf
hinwies.
    »Das ist aber eine komische
Wolke.«
    Ein weißer Bausch durchbrach die
Anordnung und verdunkelte sich. Kleine Blitze zischten darin und schufen zwei
glühende elektrische Kugeln. Die Wolke schielte mit ihren funkelnden Augen auf
uns herab. Ein Mund teilte sich in ihren rumpelnden Wogen und sie kicherte. Es
war ein allzu menschliches Kichern, zu leise, um unten auf der Erde anzukommen.
Aber wir hörten es trotzdem.
    Wyst zog sein Schwert.
    »Ach, du liebe Güte«, sagte die
Wolke. »Sag mir, guter Ritter, wie stellst du dir vor, eine Wolke mit dieser
Klinge zu töten, vorausgesetzt du besitzt eine Technik, mich hier oben
überhaupt zu erreichen?«
    Die Stimme war glatt und leer. Sie
klang, als würde sie sanft in meine Ohren gesprochen, als befände sich die
Wolke neben mir. Aber Raum war an diesem Ort eine Belanglosigkeit, die nicht
real existierte.
    Die Wolke zwinkerte. Oder besser
gesagt, ihre Augen verdunkelten sich. »Jetzt wollen wir mal sehen, was wir hier
haben. Einen weißen Ritter, einen Troll, eine Ente und eine Hexe. Eine
merkwürdige Auswahl von Gegnern, muss ich schon sagen. Welche Freude es doch
ist, euch endlich sozusagen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.«
    Ich neigte meinen Hut nach hinten,
um die Wolke anzusehen. »Und du musst der Seelenlose Gustav sein.«
    »Wenn ich muss. Mein Ruf eilt mir
voraus.« Der Wolkenbausch nahm wieder seinen Platz in dem leblosen Tanz ein und
das Gesicht verschwand. Im hohen Gras erschien es erneut. Violette Blumen
sprossen als Augen hervor.
    »Gibt es wirklich einen
Seelenlosen Gustav?«, wisperte Molch.
    Er wurde gehört. Ich nahm an, dass
der Herr dieses Königreiches alles hörte, was aus dem Rahmen fiel. »Nun, das
will ich hoffen. Wer sonst könnte diese Plagen erdrosselnder Eingeweide und
schmelzender Gehirne senden?«
    »Tust du das wirklich?«, fragte
Molch.
    Das Gras teilte sich zu einem
ironischen Grinsen. »Gelegentlich. Wenn es meinen Zielen dient. Oder wenn ich
es amüsant finde. Oder einfach, wenn mir langweilig ist und ich etwas Furcht
und

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