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Eine hinreißend widerspenstige Lady

Titel: Eine hinreißend widerspenstige Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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wenn Sie die Arbeit der Diener verrichten, statt sich zu vergnügen?“
    Daphne trat ans Waschbecken. Während sie sich eilig wusch, ermahnte sie Lina, dass dies nicht die rechte Zeit war, sich zu vergnügen. Ganz abgesehen davon, dass sie die Tochter eines englischen Pfarrers war. Und die Witwe eines weiteren englischen Pfarrers!
    „Ja, schon“, meinte Lina. „Die beiden sind aber tot, und Sie leben.“ Sie reichte ihrer Herrin ein Handtuch. „Und dieser Mann - y’Allah! Sie haben ja selbst gesehen, wie er Wadid hochgehoben hat.“ Sie presste sich die Hände an den üppigen Busen. „So ein starker Mann. Und so gut aussehend. Ich habe gesehen, wie Sie ihn angeschaut haben. Sie ... “
    „Mein Bruder wird vermisst “, unterbrach Daphne sie. „Menschen sind ermordet worden.“
    „Ja, aber Sie nicht.“ Lina half ihr in das Hemd hinein. „Ich wäre gern mit ihm im Dunkeln gewesen und hätte es gar nicht eilig gehabt, da wieder rauszukommen.“
    Linas Moral ließ zu wünschen übrig, aber dafür war sie klug, mehrsprachig und höchst effizient. Während sie ihre Herrin über verpasste Gelegenheiten belehrte - und darüber, dass das Leben kurz und voller Überraschungen sei -, gingen ihre Hände ebenso flink zu Werke wie ihre Zunge.
    In Kürze fand Daphne sich wieder in der qa’a ein, wie man den Salon eines Hauses hierzulande nannte.
    Mr. Carsington betrachtete sie eine Weile, ließ seinen dunklen Blick langsam von dem Schleier, den Lina an eine Haube geheftet hatte, abwärtsschweifen. Ein Umhang bedeckte ihr dünnes Hemd und einen Großteil ihrer weiten Beinkleider.
    Ebenso gut hätte er sie mit seinen Händen abtasten können.
    Sie stellte sich seine Berührung vor, fühlte sie fast. Ihre Haut begann zu kribbeln.
    Er neigte den Kopf erst zur einen Seite, dann zur andern. „Ich bin ratlos“, bekannte er. „Was sind Sie denn diesmal?“
    Ein unvernünftiges, wildes und böses Mädchen.
    Nein, eine Frau, die es verstand, ihre schlimmsten Impulse zu beherrschen.
    „Als ob es darauf ankäme“, sagte sie. „Alle werden nur Sie ansehen - mich wird niemand beachten.“
    „Das glaube ich nicht“, meinte er.
    Sie sah an sich hinab, betrachtete den Körper, den sie nie verstanden hatte und dem zu misstrauen man sie gelehrt hatte. „Ich wollte versuchen, einheimisch auszusehen.“
    „Es wäre gewiss besser, betörend auszusehen“, fand er, „um Anaz so sehr zu verwirren, dass er uns all seine Geheimnisse preisgibt.“
    „Es mag besser sein“, entgegnete sie, „aber ich kann es nicht.“
    „Nein?“
    „Nein“, beschied sie. „Ich bin nicht ... nicht so ...“ Er sah sie unverwandt an, der Blick seiner dunklen Augen undeutbar. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihr Verstand umwölkte sich. „Ich bin nicht wie die Frauen, die Sie in der Londoner Gesellschaft kennengelemt haben. Und anderswo“, fügte sie hinzu. „Ich lese lieber.“
    „Lesen schärft den Verstand“, sagte er, ohne jeden Anflug von Spott.
    „Aber nicht die Persönlichkeit“, meinte sie. „Ich bin langweilig. Und taktlos, aufbrausend und stur.“ Dies einzugestehen war ihr peinlich. Aber ihr innerer Aufruhr, von dem sie niemals laut würde sprechen dürfen, beschämte sie noch mehr. Folglich glühte sie am ganzen Leib, und sie wusste, dass ihr Gesicht mittlerweile puterrot sein würde.
    Doch Daphne war beharrlich - das vor allem. „Nicht gerade, was Männer mögen“, fuhr sie fort, „weshalb wir uns etwas anderes ausdenken müssen, um ihm seine Geheimnisse abzuringen.“
    „Aber gewiss“, sagte er. „Wenn Sie wünschen, werde ich natürlich auch mit ihm ringen.“ Sein seltsam eindringlicher Blick war verschwunden, als sei nie etwas gewesen, und er schien wieder ganz der frohgemute Dummkopf, für den sie ihn zunächst gehalten hatte.
    Ihre Anspannung ließ ein wenig nach.
    Sie war es gewohnt, von Männern entweder ignoriert zu werden oder aber sie zu brüskieren. Damit hatte sie umzugehen gelernt, und es schmerzte sie nicht mehr.
    Aber bei ihm fühlte sie sich wie auf weiter See verloren und dem Sturm ausgeliefert, der in ihr tobte.
    Sie zog sich den Schleier vor das Gesicht. „Wir sollten jetzt aufbrechen“, sagte sie und sah sich nach Lina um, die mit missbilligender Miene in der Tür stand. „Wenn jemand fragt“, instruierte Daphne sie, „so sind wir einen Teppich kaufen gegangen.“
    Vanni Anaz war einst ein Söldner gewesen und von ungewisser Herkunft: Armenier, Albaner, Syrer, Grieche - das wusste niemand so

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