Eine hinreißende Schwindlerin
ganz besonders. „Und was“, wandte sie langsam ein, „fange ich mit den restlichen zweiundzwanzig Stunden des Tages an?“
„Wie bitte?“
„Ich nehme an, du wirst Jenny Keeble nicht mehr von deiner Zeit widmen als Gareth. Gareth bekommt seine zwei Stunden naturwissenschaftlicher Arbeit am Vormittag. Und ich?“
„Jenny, du weißt, dass ich nicht mehr geben kann. Ich trage Verantwortung und das kann ich nicht einfach ignorieren …“
Jenny schloss die Augen. Tief in ihrem Innern wartete die Stille, die sie am vergangenen Abend gefunden hatte. Und ganz gleich, wie sehr ihr Herz sie auch drängte, zu ihm zu gehen, dieses stille Zentrum der Kraft blieb unerschütterlich bestehen. „Ich möchte meine eigene Herrin bleiben. Ich will mich nicht kaufen lassen.“
Sie trat einen Schritt zurück. Dieses Marmormausoleum war nichts anderes als eine weitere Art des Verlassenwerdens – eine weitere Möglichkeit für einen Mann, sie mit irgendetwas abzuspeisen. Das brachte ihre Sehnsucht nach einer Familie und nach Unabhängigkeit auf eine simple Zahl. Die Anzahl an Pfund, die man benötigte, um ein Haus in London kaufen zu können. Die Anzahl der Minuten, die Gareth ihr schenkte. Sie würde nichts anderes sein als eine weitere Zahlenreihe in seinen Kassenbüchern.
Kassenbücher konnte man zuklappen, ganze Zahlenreihen konnten ausradiert werden.
Er streckte die Hand nach ihr aus.
Jenny schloss die Augen, um ihre aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. „Ich möchte nicht, dass du mich kaufst. Ich will, dass du lebst. Und ganz bestimmt will ich nicht eine von deinen vielen Pflichten werden. Ich will deine …“
Ich will deine Familie sein.
Sie brachte die Worte nicht über die Lippen, aber er verstand sie sofort. „Ich kann nicht“, flüsterte er erstickt.
Aus tränenfeuchten Augen sah sie, wie er sich umdrehte und sich am Türrahmen festhielt. „Du möchtest, dass ich dich Gareth nenne“, sagte sie, „aber Lord Blakely wird immer zwischen uns stehen. Seine Pflichten. Sein Besitz. Und nun versuchst du, mich zu seiner Mätresse zu machen. Glaubst du allen Ernstes, nach dem, was du inzwischen über mich weißt, du könntest mich mit Geld kaufen?“
„Das ist alles, was ich zu geben habe.“
Sie betrachtete ihn. Noch immer wandte er ihr den Rücken zu. „Nein.“ Sie merkte selbst, wie dünn ihre Stimme klang, als käme sie von ganz weit her. „Das ist alles, was du geben willst . Du versteckst dich hinter Geld und deiner Verantwortung.“
Er fuhr herum und seine Augen funkelten aufgebracht. „Ich verstecke mich nicht!“
„Doch. Und mich willst du ebenfalls verstecken. Nun, das lasse ich nicht zu. Du kannst mich weder mit Geld kaufen noch mit Logik überzeugen.“
Er atmete tief ein und seine Nasenflügel bebten. „Bitte mich um alles andere! Aber erzähl du mir nichts vom Verstecken. Du bist doch diejenige, die jedes Mal zurückweicht, wenn ich dir sage, dass ich dich will und brauche. Nicht einmal auf diesen kleinen Tauschhandel willst du dich einlassen, vor lauter Angst, von mir abhängig zu werden.“
„Nein. Wenn du mich haben willst“, erwiderte Jenny verzweifelt, „dann im Tausch gegen dich , nicht dein Geld.“
„Verdammt, Jenny, das ist kein gerechter Handel!“, brauste er auf.
Jenny war, als erstarrte ihre ganze Welt zu einem zerbrechlichen Eiskristall voller scharfer Kanten. Er brauchte sie. Er war nicht bereit, seine Verantwortung aufzugeben. Doch Verantwortung, dieses sonst so lobenswerte Wort, bekam plötzlichen einen bösartigen Beigeschmack.
Stelle jemanden ein, der dir etwas von deiner Verantwortung abnimmt , hatte sie vorgeschlagen. Wem könnte ich so etwas zutrauen? Ich bin dafür geboren worden. Sein ganzes Leben lang hatte man ihm beigebracht, etwas Besseres zu sein als alle anderen. In diese Rolle der Überlegenheit war er ohne nachzudenken hineingewachsen, und jetzt war er nicht mehr imstande, etwas von seinen Pflichten abzutreten.
„Kein gerechter Handel“, wiederholte sie verbittert. Er war zornig. Er fühlte sich betrogen. Es gelang ihm nie, die richtigen Worte zu finden. Doch all das konnte nur halb seiner Unbeholfenheit zugeschrieben werden. Dieses Mal hatte er wirklich gemeint, was er gesagt hatte. „Wenn das für dich kein gerechter Handel ist“, zwang sie sich zu sagen, „dann deswegen, weil du nicht der Meinung bist, ich wäre so viel wert wie du.“ Warum auch nicht? Sein Leben lang hatte man ihn gelehrt, dass sie es nicht war.
„Wirklich,
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