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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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das von zweihundert anderen Menschen. Von Tausenden vielleicht, die sich womöglich gerade an einem anderen Ground Zero aufhalten.«
    »Und wenn die Flugbegleitung nichts unternimmt?« fragte Jerry.
    Agnes dachte einen Moment nach. Sie hätte die Frage bereits aufs Tapet gebracht. Die Männer in der Maschine hätten das Gespräch zwischen ihr und der Flugbegleiterin vielleicht gehört. »Augenblick mal«, sagte sie. »Du hast erste Klasse gesagt, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Okay, dann würde ich bleiben«, verkündete Agnes. »Wenn ich einmal im Leben das Glück hätte, erster Klasse fliegen zu können, würde ich meinen Platz bestimmt nicht aufgeben.«
    Harrison lachte, und Nora, die neben ihm saß, lächelte.
    »Und du, Nora?« fragte Jerry.
    Nora trug eine schwarze Spitzenstola über einem ärmellosen Kleid. Ihr Hals und ihr Dekolleté waren glatt und weiß und ohne Makel. In den Ohren trug sie schwarze Perlengehänge. Agnes hatte Nora immer um ihr Geschick beneidet, ohne großes Brimborium etwas aus sich zu machen. »Ich denke einfach, wenn meine Stunde geschlagen hat, dann hat sie geschlagen.«
    »Im Ernst?« fragte Jerry. »Du würdest nicht aussteigen?«
    »Nein«, antwortete sie. »Nein, ich glaube nicht.«
    »Ich glaube, ich würde auch nicht aussteigen«, bemerkte Harrison. Er hob das bauchige Rotweinglas und starrte es an, als suchte er dort die Antwort. Auch er hatte sein Jackett abgelegt und seinen Schlips gelockert.
    »Du machst Witze«, sagte Jerry.
    »Nein. Zunächst würde mir die gute Erziehung gebieten, sitzen zu bleiben. Auszusteigen würde ich als grobe Ungezogenheit empfinden. Und ich würde mir überlegen, was für ein Theater es wäre, meinen Flug zu verpassen und einen anderen buchen zu müssen. Dann würde ich versuchen auszurechnen, wie hoch die Chance ist, daß diese Männer Terroristen sind. Ich weiß nicht, eins zu tausend? Eins zu zehntausend? Und daß einer von ihnen mit einem Tapetenmesser durch die Sicherheitskontrolle gekommen sein könnte. Eins zu einer Million? Ich würde wahrscheinlich Blut und Wasser schwitzen, aber ich glaube nicht, daß ich aufstehen würde.«
    »Julie?« wandte sich Jerry an seine Frau, die neben ihm saß.
    »Ich würde ein Xanax nehmen«, sagte sie kühl. »Vielleicht auch zwei.«
    Die Antwort wurde von allen als Scherz aufgenommen. Agnes war allerdings ziemlich sicher, daß Julie sie nicht so gemeint hatte.
    »Ihr seid alle verrückt«, sagte Jerry. »Ich wäre aus der Maschine raus wie ein geölter Blitz.«
    »Warum?« fragte Harrison.
    »Meinetwegen können sie alle Top-Manager bei Charles Schwab sein, wenn ich drei Monate nach dem elften September sechs Araber im Flugzeug sähe, würden bei mir sämtliche Alarmglocken bimmeln.«
    »Und was ist mit dem Rassismus-Aspekt?« fragte Harrison.
    »In so einer Situation interessiert der mich null. Es ist doch ganz einfach: Wenn ich in der Maschine bleibe, bin ich vielleicht tot. Wenn ich aussteige, ganz sicher nicht.«
    »Das könnte auch ohne die sechs Araber so sein«, meinte Harrison. »Wenn du bleibst, bist du tot. Wenn du aussteigst, nicht.«
    »Genau«, sagte Bridget. »Darum steige ich gar nicht erst ein.«
    »Tatsache ist aber«, sagte Rob, »daß man eher bei einem Autounfall auf der Heimfahrt vom Flughafen umkommt als bei einem Flugzeugunglück.«
    »Und Sie, Melissa?« fragte Jerry, und Agnes fand es nett, wie er das junge Mädchen mit einbezog.
    Wie in einem Reflex sah Melissa ihren Vater an, bevor sie antwortete. »Na ja«, sagte sie langsam, »wenn ich Zeit hätte, würde ich mir die Männer erst mal ansehen, bevor ich mich entscheide. Sehen, ob sie sich so verhalten, wie man das normalerweise tut, wenn man in ein Flugzeug steigt. Ob sie es sich erst einmal auf ihrem Platz bequem machen, was zu lesen suchen, ein bißchen gelangweilt dreinschauen, ihr Handy ausschalten, versuchen, etwas zu trinken zu bekommen. Oder ob sie angespannt und wachsam wirken. Ob es ihnen auffällt, daß ich sie beobachte.« Sie hielt kurz inne. »Aber mal ehrlich: Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt merken würde, wenn sechs Araber in die Maschine kämen.«
    Bill und Harrison lachten.
    »Macht Ihnen das Studium Spaß?« fragte Agnes das junge Mädchen.
    »O ja.«
    »Was studieren Sie?«
    »Ich glaube, ich werde Psychologie als Hauptfach nehmen.«
    »Wohnen Sie allein oder mit anderen zusammen?«
    »Mit zwei Mädchen zusammen«, antwortete Melissa. »Wir haben eine Vierzimmerwohnung.«
    »Und wo?«
    »In der Commonwealth

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