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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Avenue.«
    »Oh, ich liebe Boston.« Agnes lächelte das junge Mädchen an.
    »Wohin machen Sie Ihre Hochzeitsreise?« fragte Julie Bill und Bridget. Auf die Frage, die um so ungeschickter wirkte, als es gerade erst gelungen war, Melissa ein wenig aus der Reserve zu locken, versiegten prompt alle Gespräche. Hatte Jerry seiner Frau nicht von Bridget erzählt?
    Bill umfaßte Bridgets Hand. »Hochzeitsreise folgt später«, erklärte er. »Wir fliegen im März nach Europa. Paris, London, Florenz.«
    »Da mußt du dann doch in ein Flugzeug einsteigen«, sagte Jerry zu Bridget, worauf diese schlagfertig Julie fragte, ob sie dann vielleicht ein paar von den Xanax haben könne, von denen sie gesprochen hatte.
    »Ich beneide euch«, sagte Nora lächelnd zu Bridget.
    »Nimm dir doch einfach mal frei«, riet Jerry. »Dein Betrieb läuft gut. Ich habe den Artikel im New York Magazine gelesen.«
    »So einfach ist das nicht«, entgegnete Nora. »Das ist einer der Nachteile in der Gastronomie. Man muß immer da sein. Freie Tage gibt es eigentlich nicht.«
    »Überhaupt keine?« fragte Julie. Es hätte Agnes interessiert, ob Julie, die Pelz- und Perlenbehangene, in ihrem Leben auch nur einen Tag gearbeitet hatte.
    »Na ja, das ist vielleicht ein bißchen übertrieben«, sagte Nora. »Aber allzu viele sind es nicht.«
    »Was machen Sie beruflich?« fragte Agnes Julie und bedauerte die Frage sogleich.
    »Ich bin bei der Crédit Suisse«, sagte Julie.
    »Nicht einfach bei der Crédit Suisse«, korrigierte Jerry.
    »Julie ist Vizepräsidentin der Abteilung Unternehmensfinanzierung.«
    Im ersten Moment sagte keiner etwas. Wahrscheinlich, vermutete Agnes, hatten sie alle ein schlechtes Gewissen, weil sie ähnlich gedacht hatten wie sie.
    »Da sind Sie sicher viel auf Reisen«, sagte schließlich Nora.
    »Darum das Xanax«, meinte Josh.
    »Julie singt nicht gern ihr eigenes Lob«, bemerkte Jerry.
    Und du tust es ganz sicher nicht für sie, dachte Agnes.
    »Offensichtlich«, sagte Rob. »Eigentlich sehr sympathisch.«
    Julie vertiefte sich in ihr Weinglas. Drei Kellner trugen auf großen silbernen Tabletts die Hauptgerichte herein. Agnes hatte die Seezunge bestellt. Von der Suppe hatte sie nur wenige Löffel gegessen und war jetzt hungrig. Sie schrieb den Hunger der Schwerarbeit zu, die die vielen Tränen gekostet hatten, und einer Art emotionaler Erschöpfung. Außerdem war sie ziemlich beschwipst.
    Nach der Trauung hatte Harrison sie in ihr Zimmer hinaufbegleitet. Er wartete, während sie sich im Badezimmer das Gesicht wusch. Sie ließ das Wasser laufen, bis es eiskalt war, weil sie hoffte, ihr Gesicht werde, gründlich abgeschreckt, wieder halbwegs normal aussehen. Sie wollte Harrison nicht zu lange warten lassen, aber sie mußte sich die Haare kämmen und ihr Kleid abtupfen, das einige Spritzer abbekommen hatte. Als sie ins Zimmer zurückkam, sagte Harrison, der auf dem Bett saß und CNN schaute: »So ist’s besser«, und Agnes entspannte sich ein wenig.
    Wieder bei den anderen, fragte Harrison, ob er ihr etwas zu trinken holen könne. Agnes hatte gern angenommen und mit dem Glas in der Hand endlich Bridget gesucht, um sie zu umarmen und ihr Glück zu wünschen.
    »Haben Sie Kinder?« fragte sie Julie jetzt.
    »Eine Tochter«, antwortete Julie. »Sie ist dreizehn.«
    »Oh«, rief Agnes enthusiastisch, »da werden Sie bald über geeignete Schulen nachdenken müssen. Käme die Kidd für Sie in Frage?«
    Sie bemerkte ein Innehalten, ein Zögern bei Jerry und Julie, eine kurze Pause, nach der Jerry, wie es schien, für beide sprach. »Emily ist autistisch«, sagte er schroff. Agnes tat es leid, daß sie ihn, wenn auch unabsichtlich, zur Erwähnung dieser Tatsache gezwungen hatte, die er offensichtlich lieber für sich behalten hätte. »Sie ist in einer Sonderschule in Manhattan. Der besten im ganzen Land.«
    Agnes wußte im ersten Moment nicht, welche Reaktion von ihr erwartet wurde. Sollte sie traurig sein, daß Jerrys Tochter autistisch war? Oder froh, daß sie so gut versorgt wurde? »Das wußte ich nicht«, sagte sie, erstaunt darüber, was sich alles in siebenundzwanzig Jahren im Leben ihrer sechs Freunde zugetragen hatte. »Wie gut, daß sie so gut betreut wird.«
    Jerry spielte mit seiner Serviette. Er legte sie auf den Tisch, dann wieder auf seinen Schoß. Er schien etwas sagen zu wollen, ließ es dann aber. Agnes fand die Verletzlichkeit, die Jerry da kurz sehen ließ, anrührend. Zum erstenmal seit seiner Ankunft tat er ihr

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