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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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danach beim Kartenspielen.«
»Danke.«
Hazel wies zu den Fenstern. »Ich hasse Vorhänge«, sagte sie nachdrücklich. »Von hier aus hat man so einen schönen Blick auf den Hafen und die Schiffe im Mondschein. Wenn der Krieg vorbei ist und ich mein eigenes Haus habe, gibt es keine Vorhänge an den Fenstern. Ich möchte die Lichter sehen. Und die Sterne.« Sie stand auf. »Ich gehe jetzt schlafen.«
Innes, eifersüchtig auf das zukünftige Haus mit den nackten Fenstern, stand mit ihr auf.
»Wir sehen uns beim Frühstück«, sagte sie. »Ellen, unsere Köchin, will Ihnen zu Ehren ein schottisches Frühstück machen.«
»Ich werde mich entsprechend geehrt fühlen.«
»Fehlt Ihnen Ihre Familie?«
»Im Lauf der Jahre immer mehr«, bekannte er. »Anfangs hatte ich es zu eilig, hinauszukommen. Ich glaube, da war ich grausam. Ich habe einen Bruder in Frankreich.«
Sie schwiegen beide, während sie an den Bruder in Frankreich dachten, in einem Land, das sie beide nie gesehen hatten.
»Haben Sie einmal daran gedacht, Medizin zu studieren?« fragte er.
»Ich fand keine Unterstützung«, antwortete sie, schon auf dem Weg zur Tür. »Louise wird es bedauern, Ihnen nicht gute Nacht gesagt zu haben. Meiner Mutter geht es offenbar schlechter, als ich dachte.«
»Ich hoffe, ich sehe Sie beide beim Frühstück.«
»Ich hasse diesen Krieg«, sagte Hazel, sich noch einmal umdrehend. »Ich hasse ihn.«
Die Heftigkeit ihrer Worte überraschte Innes. »Das tun wir alle«, sagte er.
»Nein. Nicht alle. Manche profitieren von ihm.«
Innes hätte gern gewußt, ob sie dabei an Edward, den Fabrikanten, dachte. »Man könnte sagen, daß die Ärzte profitieren«, meinte er. »Da lassen sich Karrieren schmieden.«
»Ich glaube, bei den Ärzten sorgt der Krieg mehr für Erschöpfung als Bereicherung«, entgegnete sie.
»Ist Ihr Vater erschöpft?«
»Ja, und ich mache mir Sorgen um ihn. Aber er ist ein disziplinierter Mensch.«
»Und Sie?« Er öffnete ihr die Tür.
Dicht an ihm vorbei ging Hazel hinaus. »Überhaupt nicht«, antwortete sie. »Nein, nicht im geringsten.«
    Bald würde Innes zu Bett gehen, dachte Agnes. Er würde in eisigen – nein, warmen – Laken schlafen. Am Morgen würde er sein schottisches Frühstück einnehmen, und dann würde das Undenkbare sich ereignen. Einige Mitglieder der Familie Fraser würden sterben. Eine Frau würde blind werden. Die Macht, die Agnes über Innes, Hazel und Louise besaß – sie, die ihrem eigenen Leben ohnmächtig gegenüberstand –, war erschreckend und erregend zugleich.
    Ohne sich recht zu erinnern, wie sie den Berg hinuntergekommen war, kehrte Agnes in den Gasthof zurück. Es war fast dunkel, als sie hineinging und die Tür hinter sich schloß. Zwei Stufen auf einmal nehmend, lief sie die Treppe hinauf, sie wollte nicht, daß jemand sie in ihrem Pulli sah, mit strähnigem Haar. Wie eine knapp Entkommene drückte sie die Tür hinter sich zu und schnappte nach Luft. Sie legte ihre Kleider auf dem Weg zur Dusche ab. Sie sah den Jacuzzi. Hatten alle Zimmer einen Jacuzzi? Die erste Regung war freudige Überraschung. Die zweite Schmerz. Mußte denn alles im Leben sich immer auf etwas anderes beziehen? Gab es denn nichts, was sie nicht an Jim erinnerte?
    Agnes betrachtete ihr Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken. Ihre Augen waren klar. Ihre Haut war leicht gerötet. Sie würde nicht weinen, auf keinen Fall. Sie würde so tun, als wäre die Wanne nicht da. Auf einer silbernen Schale auf dem Bord unter dem Spiegel lagen Behälter mit Shampoo und Duschgel. Sie schraubte den Deckel der Shampootube auf und atmete tief ein. Sie roch Rosmarin, Grapefruit.

HARRISON GING in sein Zimmer. Der Nachklang von Noras Berührung an seiner Schulter ließ Gedanken, Absichten, Ruhe nicht zu. Noch nicht geneigt, sich auf die Suche nach Agnes zu begeben, obwohl er das eigentlich geplant hatte, blieb er am Fenster stehen und beobachtete eine Stretchlimousine, die auf ihrer Fahrt die Straße herauf immer wieder kurz sichtbar wurde, bevor sie erneut hinter Kurven oder flachen Kuppen aus dem Blickfeld verschwand. Der Wagen weckte sein Interesse, weil er annahm, das müßten Bill und Bridget sein, die in großem Stil vorfahren wollten (und recht hast du, Bill). Er ging zur anderen Seite seines Zimmers, um nach vorn hinauszusehen. Eine Frau, nicht Bridget, stieg rechts hinten aus dem Wagen. Sie sah elegant aus in schwarzem Pullover und schwarzer Hose, das Schwarz eine durchgehende Linie, die ihre Größe, sicherlich nahe

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