Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
irre. Sie war gerade mal zehn Jahre älter als wir, das brachte einen immer ein wenig aus der Fassung (kann sein, daß ich im ersten Jahr an der Schule in sie verknallt war). Bei Stephen zu Hause habe ich zum erstenmal Alkohol getrunken (für Stephen war es ganz sicher nicht das erste Mal), als wir uns eines Nachts, wir waren im vorletzten Jahr, hinunterschlichen und die Hausbar seines Vaters aufsperrten und gemeinsam beinahe eine ganze Flasche Jack Daniel’s kippten. Ich glaube, so schlecht war mir seitdem nie wieder.
Bill und Jerry waren Zimmergenossen. Bill kennst Du ja von den zwei Skiurlauben mit den Kindern. In der Schule war er ruhig und zurückhaltend, während Jerry sich schon damals immer vordrängte. Aber Jerry war ein toller Werfer, und wenn ihm sein Spezialwurf glückte und der Ball am Ende der Flugbahn nach unten wegbrach, machte die andere Mannschaft keinen einzigen Treffer. In der Schule war Jerry zwar ein fürchterlicher Angeber, aber er war auch wirklich interessiert. Ich hatte gehofft, am Ende würde der Interessierte die Oberhand gewinnen, aber als ich ihn vor ungefähr fünf Jahren zufällig in New York traf, hatte auf der ganzen Linie der Angeber gesiegt. Und seitdem scheint sich nicht viel geändert zu haben: Vor ein paar Minuten habe ich ihn unten in einer Stretch Limousine vorfahren sehen. Erst dachte ich, es wäre das Brautpaar, aber dann stieg Jerry in seiner ganzen (jetzt teuer verpackten) Länge und Schlaksigkeit aus dem Wagen. Er ist bei all seiner Großkotzigkeit der Cleverste von uns, und ich bin gespannt, wie er das Völkchen heute abend beeinflussen wird.
Rob, groß und mager, war Innenfeldspieler, obwohl er wahrscheinlich überhaupt keinen Ball hätte in die Hand nehmen sollen. Wir wußten es damals nicht, aber er spielte exzellent Klavier und wollte an die Juilliard. Ich bin sicher, nachdem sie ihn dort angenommen hatten (er brauchte nach dem Abgang von der Kidd zwei oder drei Versuche, ehe er es schaffte), haben sie ihm verboten, jemals wieder einen Ball zu fangen. Vielleicht interessiert er sich heute gar nicht mehr für Baseball. Er war ein eingeschworener Red Sox Fan. Es ist eigentlich ein Wunder, daß er sich damals in der Schule kein einziges Mal einen Finger gequetscht hat. So etwas passiert sonst dauernd.
Die anderen drei aus unserer Gruppe an der Kidd waren Mädchen (heute natürlich Frauen): Agnes, Bridget und Nora. Von den dreien kenne ich Bridget am wenigsten. Sie war ein Jahr unter uns – dabei, weil Bill dabei war. Wenn Bill ruhig und zurückhaltend war, dann war Bridget stumm – und taub für alles außer Bills Stimme. Sie waren das Urpaar, man wußte einfach, daß sie einander treu sein und am Tag nach dem Abschluß heiraten würden. Ich weiß nicht, was passierte – na ja, man könnte sagen, daß Jill passierte –, aber ich weiß noch genau, wie schockiert ich war, als ich hörte, daß Bill eine andere geheiratet hatte.
Nora kannte ich ziemlich gut. Sie war Stephens Freundin und ging zu den Besuchszeiten bei uns im Wohnheim ein und aus und stand bei Spielen an der Seitenlinie. Wäre die Kidd so eine Schule gewesen, wo es einen Abschlußball gibt, bei dem Ballkönigin und Ballkönig gewählt werden, so wäre die Wahl auf die beiden gefallen (aber an der Kidd wurde das Understatement gepflegt). Ich habe allerdings den Verdacht, daß Nora einen verborgenen Hang zu schwierigen, emotional gestörten Männern hat. Gegen Ende unseres letzten Schuljahrs hatte Stephen ernsthaft zu trinken angefangen. Nach allem, was ich gehört habe, war Carl Laski ein Säufer und ein Schwein. Ich weiß nichts Bestimmtes darüber, ob er Nora schlecht behandelt hat, aber er war auf jeden Fall ein Mann mit großen Problemen.
Wie gesagt, gegen Ende dieses letzten Jahres fand Stephen bestimmt zwei-, dreimal die Woche einen Grund zu trinken. Dann hieß es entweder: »Los, Leute, gehen wir feiern«, oder: »Kommt, machen wir einen drauf.« Freitags und samstags mußte abends getrunken werden. Einmal wurde er erwischt und für vier Tage suspendiert. Er fuhr ganz bereitwillig nach Hause, um trocken zu werden. Ich habe nie so recht verstanden, warum Nora seine Trinkerei einfach so hinnahm, vielleicht weil Stephen gefährlich und aufregend war und blendend aussah.
Wahrscheinlich hat sie es auch nicht mit der ganzen Brutalität abbekommen wie ich. Die Kotzerei, den Kater, den Selbstekel. Außerdem haben viele von uns zuletzt getrunken und gefeiert, wir hatten unsere Studienplätze und
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