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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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an einem Meter achtzig, akzentuierte. Sie trug das blonde Haar lang und glatt, obwohl sie sich, wie Harrison schätzte, den Vierzigern näherte, wenn sie sie nicht schon erreicht hatte. Aus dem dunklen Innern des Wagens wurde ihr ein Pelz gereicht, den sie über den Arm nahm. Dann ging sie, ohne einen Blick zurück, geradenwegs in den Gasthof.
    Auf der anderen Seite der Limousine trat ein Mann auf den Kies hinaus und schaute sich um, als erwöge er, das Anwesen zu kaufen. Harrison erkannte ihn sofort – an der Größe, an der schnittigen Figur, an der gebändigten Mähne rötlicher Locken. Es war verständlich, daß Jerry sich eine Limousine genommen hatte – er lebte in Manhattan und hatte offensichtlich keine Lust, selbst zu fahren –, aber mußte es gleich eine Stretch sein?
    Aber ihm wurde kein großer Empfang zuteil, kein Portier, kein Hausdiener. Der Chauffeur der Limousine nahm das Gepäck aus dem Wagen – Kamelleder, weich und beeindruckend – und stellte es ordentlich und endgültig auf die unterste Stufe vor dem Gasthof. Er machte den Eindruck, als fiele es ihm trotz strenger Vorschriften schwer, seine Ungeduld nicht zu zeigen. (War er hungrig? Mußte er pinkeln? War Jerry auf der Fahrt ekelhaft gewesen?) Jerry würde sich ärgern, daß er sich selbst um sein Gepäck kümmern mußte (oder würde vielleicht Judy die Taschen holen und die Treppe hinaufschleppen müssen?), und Nora würde bei Jerry von vornherein Minuspunkte bekommen. Harrison war versucht, seine Tür zu öffnen und zur Treppe zu gehen, nur um zu hören, was Jerry sagte, wenn er den Gasthof betrat und keiner da war, um ihn zu empfangen. Oder hatte vielleicht der Anblick der Limousine die Truppen auf Trab gebracht?
    Am besten, sagte sich Harrison, machte er noch einen Spaziergang. Er mußte Ordnung in seine Gedanken bringen. Die Vorstellung, in Gesichter zu blicken, die einem in einer anderen Welt innig vertraut gewesen waren – die erschreckende Illusion, diese Menschen wären wahrhaftig seine engsten Freunde, obwohl er die meisten seit siebenundzwanzig Jahren nicht gesehen hatte –, und der Gedanke, sich seinesgleichen zur Beurteilung stellen zu müssen (war Harrison beruflich erfolgreich? War er in seiner Ehe glücklich? Sah man ihm seine vierundvierzig Jahre an?), beunruhigten ihn. Wenn auch nicht so sehr wie Noras flüchtige Berührungen am Knie und an der Schulter, die in ihrem Alter zweifellos ohne Bedeutung waren, bloß ein Mittel, Gesagtem Nachdruck zu verleihen, aber dennoch jenen Ton anklingen ließen, der immer noch in der Luft schwebte. Und dann war da der schon zweimal erwähnte Stephen, ein blasses, körperloses Gespenst, das wie in einem zweitklassigen Trickfilm Form und Farbe gewann. Sie würden über Stephen sprechen, und Harrison mußte sich darauf vorbereiten. Männer und Frauen, die er seit über zwanzig Jahren aus den Augen verloren hatte, würden ihn ansehen und an Stephen denken. Es war ganz natürlich. Es war zu erwarten. Harrison war schließlich Stephens bester Freund und sein Zimmergenosse gewesen.
    Er setzte sich an den Schreibtisch mit Lampe, Löschunterlage und Telefon. Er schob das Informationsmaterial des Gasthofs (die Werbeprospekte, die Liste lokaler Sehenswürdigkeiten) beiseite, machte den Schreibtisch frei, soweit es ihm möglich war. Er hätte gern eine zweite Tasse Kaffee gehabt und dachte an die Espressomaschine in der Bibliothek, aber dort würde er womöglich Bridget, Agnes oder gar Jerry in die Arme laufen, und dazu war er noch nicht bereit. Nein, er brauchte jetzt Kontakt zu seiner Familie – zu Evelyn – , wie kümmerlich, wie unsinnig auch immer (er wäre vor dem Brief wieder zu Hause). Er konnte anrufen, aber er wollte die gehetzte Stimme seiner Frau nicht hören, ihre mechanisch geäußerten Fragen: Wie geht es dir? Wie war der Flug? Wie ist der Gasthof? Lieber wollte er sich Evelyn in Ruhe vorstellen, gemütlich auf dem Ledersofa in der sogenannten Bibliothek, wo ein Drittel der Regale voller Kinderbücher war, mit seinem Brief und einer Tasse Kaffee (die Glückliche). Sich im Zeitalter der E-Mail die Mühe zu machen, einen Brief zu schreiben, hatte etwas von Maschinenstürmerei und Zeitverschwendung, aber gerade dieses Bild von Evelyn, das er im wahren Leben kaum je sah, gab ihm den Anstoß, in der Schreibtischschublade nach dem Hausbriefpapier zu suchen: große Bögen, schwer und weiß, weiße Umschläge mit dem Namen des Gasthofs, Weiß auf Weiß geprägt auf der Rückseite, damit

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