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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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die Treppe hinaufgeschleppt hatte, als enthielte es toten Fisch, erschien an einer entfernten Tür und fragte nach Louise. Louise verließ den Tisch, um mit dem Mann zu sprechen, und sogleich tauschten Innes und Hazel Blicke – sie hob die Lider genau in dem Moment, in dem er wegsah. Ein zitterndes Summen begann in seiner Brust, als Hazel aufstand, um zu sehen, was Louise an der Tür festhielt. Innes hörte den leisen Austausch der Schwestern, dann Louises gedämpfte Bekümmerung. Sie verschwand mit dem mürrischen Hausdiener.
Hazel blieb am Feuer stehen und sagte: »Meine Mutter fühlt sich nicht wohl und braucht Louise. Meine Schwester hat ein Stärkungsmittel, sie macht es selbst, das bei den Unpäßlichkeiten meiner Mutter lindernd wirkt.«
Innes diagnostizierte Verstopfung. »Es tut mir leid, daß sie nicht wohl ist«, sagte er, vom sechseckigen Tisch aufstehend.
»Sie spielen nicht gern Karten, nicht wahr?« Hazel drehte sich mit dem Rücken zum Feuer.
»Eigentlich schon, aber heute abend nicht.«
»Ich arbeite bei meinem Vater in der Klinik.«
»Ach?« sagte Innes ehrlich überrascht.
»Möchten Sie noch einen Drink?«
»Besser nicht, wenn ich morgen früh munter sein soll«, sagte Innes, als er zum Feuer trat.
Hazel setzte sich an ein Ende des Ledersofas. Innes, verunsichert, nahm einen Sessel am anderen Ende des Sofas. Er sah Hazels Gesicht im Feuerschein. »Was tun Sie in der Klinik?« fragte er.
»Ich rolle Verbände. Ich beruhige ängstliche Patienten.«
»Ja, ich fände Ihre Gegenwart beruhigend«, wagte Innes zu sagen.
»Warum sind Sie nicht in den Staaten geblieben?« fragte Hazel, ohne auf das Kompliment einzugehen.
»Ich fand, mein Platz sei hier«, antwortete Innes. »Es gibt ja im Augenblick überall ein starkes Nationalgefühl. Außerdem ist es eine große Ehre, bei Ihrem Vater zu lernen.«
»Der Krieg greift seine physischen Reserven an«, sagte Hazel stirnrunzelnd. »Und seine Seele. Er hat viele Männer an ihren Verletzungen sterben sehen. Ich warne Sie, er ist ein strenger Lehrmeister.«
»Ich freue mich auf die Herausforderung«, sagte Innes.
»Das glaube ich Ihnen gern, Mr. Finch.«
»Könnten Sie sich vorstellen«, fragte Innes, »mich beim Vornamen zu nennen, da ich ja nun länger hier leben werde?« Ohne auf die Antwort zu warten, fügte er mit Blick zum Feuer hinzu: »Soll ich nachlegen?«
»Ich gehe bald zu Bett, aber lassen Sie sich nicht abhalten, wenn Sie noch bleiben.«
Auch Innes würde bald zu Bett gehen. Er hoffte, daß in seinem Zimmer ein Feuer brannte. Wenn nicht, würden die Laken eiskalt sein. In der Schule hatte sich in den Wasserkrügen neben den Betten manchmal Eis gebildet.
»Louise hat eine leichte Nervenschwäche«, bemerkte Hazel.
Innes nickte und fragte sich, ob das eine Art Verrat war, um Louises Chancen zu zerstören, oder bloß eine Warnung. Er sagte nicht, was er glaubte, daß nämlich Louise verzweifelt bereit war, jeden zu lieben, der sie vielleicht wiederlieben würde. Alle Aufmerksamkeit hatte offensichtlich die ältere Schwester bekommen. »Sie sind verlobt, wenn ich nicht irre«, sagte er.
Die Abende in Halifax hatten etwas Dumpfes, Beklemmendes. Sockenstricken. Bridgepartien. Schiffsfeste. Ein Offizier aus Frankreich, wenn er denn zurückkehrte, bot da Entkommen.
»Sie wären für die Medizin nicht geeignet, wenn Sie das nicht gefolgert hätten«, sagte Hazel.
»Erzählen Sie mir etwas von ihm.«
»In einem Satz? Er ist Korvettenkapitän bei der Britischen Marine.«
Würde ich jemanden lieben, brauchte ich mehr als einen einzigen Satz, dachte Innes und fragte: »Er ist also kein Mediziner?«
»Nein.« Hazel wandte den Blick von Innes und sah ins Feuer. »Er ist Fabrikant.«
Geld oder gutes Aussehen mußten für ihn gesprochen haben, dachte Innes und wußte doch, noch während ihm der Gedanke durch den Kopf ging, daß plötzliche Anziehung aller Logik entbehrte, wie jetzt im Salon der Familie Fraser.
»Werden Sie hier leben?« fragte er.
»Das muß Edward entscheiden«, antwortete Hazel, den Kopf hebend.
Hazel würde also fortgehen. Selbst die Young Street mit ihren besseren Leuten genügte nicht. Er merkte, daß ihm Hazels künftige Abwesenheit schon jetzt mißfiel. Halifax, noch vor Stunden voller Möglichkeiten, wäre ohne sie leer.
»Mr. Finch – Innes –, ich bin überzeugt, Sie werden ein guter Arzt sein.«
»Ich hoffe, Sie haben recht.«
»Sie verfügen über Intuition und Einfühlungsvermögen. Das habe ich schon beim Abendessen gemerkt, und

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