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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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großer Herzlichkeit. »Ich hörte erst gestern von Louise, daß Sie am Leben sind.«
Hazels Augen wirkten müde, ihr Haar war ungewaschen. Sie hatte einen Bluterguß auf der Stirn und verschorfte Schnittwunden an der Wange.
»Es hat mir sehr leid getan, vom Tod Ihrer Eltern zu hören«, sagte Innes.
»Danke.«
»Ich möchte Sie nicht von Ihrer Arbeit abhalten. Vielleicht können wir uns unterhalten, wenn Sie fertig sind?«
»Ja«, sagte sie. »Natürlich.«
Innes blieb vor der Tür stehen. Er sah auf seine Uhr, er hatte sich schon verspätet. Aber keiner seiner Patienten würde in den nächsten zehn Minuten sterben. Von Zeit zu Zeit blickte er durch das Fenster in der Tür. Im Saal waren Schwestern damit beschäftigt, Decken zu falten. Hazel hatte sich auf das Bett der Patientin gesetzt. Die Frau lachte über irgend etwas, was Hazel gesagt hatte. Nach einer Weile stand sie vom Bett auf und trug Suppenschale und Löffel zu einem Tablett.
Innes wartete gespannt.
»Innes«, sagte Hazel, als sie durch die Tür kam, und er war überglücklich, daß sie ihn beim Vornamen nannte. »Es ist wunderbar, Sie zu sehen. Ich habe mich oft gefragt, ob Sie das Unglück überstanden haben.«
»Und ich habe mir große Sorgen um Sie gemacht, um ehrlich zu sein.«
»Wirklich?« Sie band die Schürze auf und zog sie über den Kopf.
»Wo waren Sie, als das Schiff explodiert ist?« fragte Innes.
Sie preßte die Lippen aufeinander, um ein Lächeln zu unterdrücken. »Auf der Toilette.«
Innes lachte. Es war das erste Lachen seit dem Unglück. »Das hat Ihnen das Leben gerettet.«
»Offensichtlich, ja.« Hazel rollte die Ärmel ihrer Bluse herunter. Innes bedauerte es. Der Anblick ihrer Handgelenke hatte ihm gefallen.
»Und Sie?« fragte sie. »Wo waren Sie?«
»In meinem Zimmer am Fenster. Es ist eigentlich ein Wunder, daß ich mit dem Leben davongekommen bin.«
Sie betrachtete ihn. »Sie scheinen sogar unversehrt.«
»Eine kleine Verletzung am Rücken.«
Hazel blickte den Korridor entlang. »Es war sicher schlimm für Sie.«
»Das war es doch für uns alle.«
»Nein, ich meinte die Operationen.«
»Es war hektisch.«
»Ja.«
Innes nahm den Hefter von der rechten in die linke Hand. »Ihre Schwester erholt sich gut.«
»Haben Sie sie operiert?«
»Nein.«
Hazel runzelte die Stirn. »Es war furchtbar. Sie hat sich so entsetzlich aufgeregt, als ich sie besuchte, daß ich es nicht gewagt habe, noch einmal zu ihr zu gehen. Sie hat mich angeschrien.«
»Eine gewisse Hysterie ist zu erwarten«, meinte Innes.
»Ja, natürlich«, sagte Hazel.
»Sie wußten nicht, daß sie hier ist?« fragte er.
»Mir wurde gesagt, sie sei mit meinen Eltern zusammen im Feuer umgekommen.«
Jetzt war Innes der Überraschte. »Es hat gebrannt?«
Hazel schwieg.
»Es tut mir so leid«, sagte Innes, der sich vorzustellen versuchte, wie grauenvoll es sein mußte zu verbrennen. »Man kann nur hoffen, daß Ihre Eltern gleich bei der Explosion umgekommen sind. Es ist jedenfalls sehr wahrscheinlich.«
Hazels Kinn begann zu beben, sie wandte sich von ihm ab. Er sah, daß sie Mühe hatte, die Fassung wiederzugewinnen. Er wartete.
Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und schneuzte sich. Als sie es wieder weggesteckt hatte, sah sie ihn an. »Gestern morgen bekam meine Tante Nachricht von einer Freundin, die Louise hier gesehen hatte. Meine Schwester ist sehr labil.«
»Sie war auch vorher schon labil«, sagte Innes, und Hazel sah ihn neugierig an.
»Ich muß einen Platz für sie finden«, sagte sie.
»Ich helfe Ihnen«, versprach Innes, obwohl er im Moment von keiner Blindenschule wußte, die von dem Unglück verschont geblieben war. Doch es würden Schulen gebaut werden. Das war unvermeidlich. »Es kann sein, daß sie in ein paar Tagen das Krankenhaus verlassen muß«, fügte er hinzu. »Haben Sie eine vorübergehende Unterkunft für sie?«
»Ich wohne bei einer Tante. Ihr Haus ist nicht betroffen.« Hazel schob eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. »Dort ist natürlich auch Platz für Louise.«
»Es wird anfangs eine große Belastung sein, sich um so eine Patientin zu kümmern.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen«, sagte Hazel. »Es ist ja die reinste Hölle da draußen, nicht wahr? Wenigstens ist Louise der Anblick erspart geblieben.«
»Er wird ihr für immer erspart bleiben.«
»Ich hätte eine solche Detonation nie für möglich gehalten«, sagte Hazel.
»Keiner von uns hätte sich so etwas vorstellen können.«
»Und diese Ironie, daß die Leute alle an die Fenster

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