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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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wohin möchten Sie denn gehen?« Innes spürte den Druck, der sich in seiner Brust aufbaute.
Hazel riß sich den Hut herunter. Sie schüttelte den Kopf, daß ihr Haar sich löste. »Vielleicht nach Amerika«, sagte sie. »Ich weiß es nicht. Wenn der Krieg vorbei ist, könnte ich nach Europa gehen. Ich weiß nur, daß ich es in dieser Stadt nicht aushalte. Das war schon vor der Explosion so.«
»Ja, das habe ich gespürt«, sagte Innes.
»Und jetzt hält mich nichts mehr hier.«
Die Worte trafen Innes. »Sie haben nicht das Bedürfnis, Ihrer Schwester nahe zu sein?« fragte er.
»Ich werde mich natürlich darum kümmern, daß sie versorgt ist«, sagte Hazel. »Es ist ja Geld da. Und ich werde sie besuchen – wenn sie es möchte. Aber nein, ich verspüre nicht das Bedürfnis, jeden Augenblick in ihrer Nähe zu sein. Ich glaube, es wäre für uns beide besser, eine Weile getrennt zu sein.«
Innes überraschte Hazels Geständnis nicht. Auch nicht die Lieblosigkeit.
»Aber was ist mit Ihrem Verlobten?« fragte er. »Kommt er nicht bald aus Frankreich zurück?«
Hazel drehte den Hut in ihren Händen. »Ich habe ihm geschrieben«, sagte sie.
»Sie haben ihm geschrieben«, wiederholte Innes, nicht sicher, was diese Erklärung zu bedeuten hatte.
»Ich werde ihn nicht heiraten.« Sie sah zu Innes hinauf. »Ein Unglück, eine Katastrophe – das ändert doch alles. Man merkt auf einmal, daß man dem eigenen Leben verpflichtet ist. Ich wollte schon vor der Explosion nicht heiraten. Das hier macht es nur leichter.«
»Aber wohl kaum für ihn«, wandte Innes ein.
»Er muß in Halifax bleiben, wenn er zurückkommt. Die Firmen, mit denen er zu tun hat, sind alle hier.«
»Einige davon vermutlich zerstört.«
»Ja. Um so mehr Grund, hier zu bleiben. Sie müssen wiederaufgebaut werden.«
»Hazel«, sagte Innes, und ihr Blick glitt von ihm weg. »Es würde mich traurig machen, Sie fortgehen zu sehen.«
»Sie kennen mich nicht«, sagte sie.
»Ich denke nicht, daß Sie das wirklich glauben«, sagte Innes, der sich bewußt war, daß er seine Worte mit Bedacht wählen mußte. Ein unwillkommener innerer Druck machte es notwendig.
»Ich habe an dem Abend mit Ihnen geflirtet«, sagte sie. »Das tut mir leid. Ich hatte kein Recht, das zu tun.«
»Aber Sie müssen doch etwas empfunden haben«, sagte er.
»Ich habe phantasiert«, sagte Hazel einfach.
»Wollen Sie dann nicht Ihrer Phantasie freien Lauf lassen?« fragte er. »Hazel! Sehen Sie mich an.«
Hazel wandte ihm ihr Gesicht zu. »Ich muß aus dieser Stadt weg«, sagte sie ruhig.
Wenn sie bereit war, ihre Schwester zu verlassen, würde sie erst recht einen Mann verlassen, den sie kaum kannte.
»Wir hatten nur einen Abend«, sagte sie. »Und eigentlich nicht einmal das. Was kann man an einem Abend schon erfahren?«
»Ich glaube, die Zeit an sich ist von geringem Belang«, entgegnete Innes und hörte den leicht pedantischen Ton in seiner Stimme. »In einem einzigen Augenblick wurde eine ganze Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Wer hätte das für möglich gehalten. Könnte nicht auch Liebe in einem einzigen Augenblick möglich sein?«
Innes war froh, daß es dunkel war. Sein Gesicht brannte, seine Worte waren unbeholfen. Ganz gewiß hatte er nicht vorgehabt, so bald schon von »Liebe« zu sprechen. Er hatte nicht für diesen Moment der Entscheidung geprobt. Er hatte nur ein Stück mit Hazel spazierengehen wollen, um sich wieder mit ihr zu verabreden. Hätte er gewußt, daß es um seine Zukunft ging, so hätte er seine Worte vielleicht eingeübt.
»Sie werden doch nicht glauben, daß Sie mich lieben«, sagte Hazel. »Das ist ausgeschlossen.«
»Sie können nicht für mich sprechen.«
»Nein, natürlich nicht«, sagte sie. »Verzeihen Sie. Sie waren so nett.«
»›Nett‹ ist in diesem Moment ein grausames Wort.«
»Ja«, stimmte sie zu. »Wahrscheinlich.«
Innes wußte, daß er verloren hatte. Unvorbereitet und ohne Vorwarnung zum Kampf gezwungen, war er schon geschlagen, ehe die Schlacht begonnen hatte. Daß Hazel sie sich irgendwie als Paar vorgestellt, über eine solche Möglichkeit sogar nachgedacht hatte, wäre für Innes vielleicht eine Freude gewesen, wäre ihm die Hoffnung nicht so rasch entrissen worden.
»Ich werde Sie vermissen«, sagte er. »Die Möglichkeit, die Sie für mich waren.«
»Man hat viele Möglichkeiten«, entgegnete Hazel. Sie stellte sich auf Zehenspitzen und küßte ihn auf den Mund. Der Kuß, kurz und trocken, ließ eine Welt ahnen, die er nun nie kennenlernen

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