Eine Idee macht noch keinen Roman
Ausprägungen dieser Eigenschaften bedingen. Was bei Krimis völlig in Ordnung ist, könnte bei Dramen ein wenig fehl am Platze sein.
Um mal ein Beispiel zu nennen: Wer mal die Scheibenweltromane von Terry Pratchett gelesen hat, wird wissen, was ich meine. Es gibt dort drei Hauptfiguren, einmal die Hexe Esme Wetterwachs , den Wachmann Sam Mumm und Susan.
Alle drei sind Gut im Sinne von Gut-Böse, tun das, was richtig ist, haben ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl und sind letztendlich Sympathieträger im Quadrat. Alle drei sind aber auch Zyniker vor dem Herrn und keine netten Menschen. Überhaupt nicht.
Sie sind keine miesen Hunde, aber wenn es hart auf hart geht, offenbaren diese drei Charaktere extrem dunkle Seiten, die nicht einmal mehr ansatzweise als nett zu bezeichnen sind.
Interessanterweise kenne ich kaum jemanden, der die Bücher liest, der die drei Charaktere nicht mag. Diese drei Protagonisten halten diese dunkle Seite nämlich sehr unter Kontrolle und lassen sie nur dann zutage treten, wenn es gar nicht mehr anders geht. Sie sind dann auch nicht unbedingt stolz darauf, aber schämen tun sie sich auch nicht. Und diese Mischung zwischen Gut und ein kleines bisschen Böse ist etwas, mit dem sich so gut wie jeder Leser identifizieren kann.
Ein anderes Beispiel ist sehr aktuell: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand.
Der Protagonist ist, wenn man es genau nimmt, entweder sehr skrupellos, oder schlicht und ergreifend blöd. Letzteres ist, wenn man das Buch liest, nicht der Fall, wie einem recht schnell auffällt. Allan stolpert während seines Lebens von einem weltbewegenden Szenario zum nächsten und entscheidet jedes Mal spontan, was denn das Beste für ihn persönlich wäre und hängt sein Fähnchen entsprechend nach dem Wind. Da das Ganze sehr witzig geschrieben ist und die Situationen an Abstrusität kaum zu überbieten sind, findet man diesen Kerl fast automatisch sympathisch.
Meines Erachtens nach ist da der Bogen aber überspannt worden. Allan ist, wenn man es genau nimmt, unter anderem dafür verantwortlich, dass Franco an die Macht kommt, die Atombombe in ihrer praktikablen Form entwickelt wurde und noch einige andere Dinge, die auf der dunklen Seite der menschlichen Geschichte zu verorten sind.
Das hat aber leider nicht den Effekt, dass er ein schlechtes Gewissen bekommt, sondern er legt dasselbe Verhalten mit einhundert Jahren an den Tag, wie mit fünfzehn. Wenn man es genau nimmt, hat er nichts dazu gelernt und will es auch nicht. Das macht ihn mir persönlich nicht wirklich sympathisch, um es mal vorsichtig zu formulieren. Ich hatte oft das Gefühl, dass der Autor einen neuen Forrest Gump entwickeln wollte. Und das hat – meiner Meinung nach – nicht geklappt. Das liegt daran, dass Forrest Gump ein herzensguter Mensch ist und zweitens ein bisschen blöd. Der hatte keine Ahnung, was seine Handlungen für Auswirkungen hatten.
Die Geschichte kann noch so toll sein; wenn der Funke zwischen Hauptperson und Leser nicht überspringt, ist die ganze Geschichte für die Katz.
Um das hinzukriegen, bedarf es ein bis zwei Kniffe.
Zum einen muss der Charakter schon einigermaßen realistisch gebaut sein. Superman ist eine tolle Figur für Kinder, aber Erwachsene finden den Mann durch die Bank weg langweilig. Warum? Er kann einfach alles. So etwas wird einfach sehr schnell langweilig. Wie soll ein Charakter wachsen, wenn ihm alles gelingt? So wenig man auch das alltägliche Leben in Geschichten vorgehalten bekommen möchte, so wenig will man etwas lesen, in dem der Hauptperson alles gelingt, egal, wie ausweglos die Situationen und heftig die Schicksalsschläge sind. Das ist genauso langweilig.
Entsprechend hat der Erfinder von Superman recht schnell zwei große Schwächen eingebaut und die nennen sich Kryptonit auf der einen Seite und Lois Lane auf der anderen. Das sind zwei Hürden, die es in sich haben und Superman ein klein wenig menschlicher werden lassen, weil er es (zumindest in der Comicvariante) einfach nicht schafft, die Beziehung zu seiner Liebe Lois Lane über das Stadium der beruflichen Freundschaft hinaus zu entwickeln und ihm durch das Kryptonit regelmäßig seine Grenzen aufgezeigt werden. Das macht ihn ein klein bisschen menschlicher und plötzlich können sich auch erwachsene Menschen mit diesem Typen wieder zumindest etwas identifizieren.
Batman/Bruce Wayne und Spiderman/Peter Parker sind als Figuren auf der anderen Seite deutlich menschlicher
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