Eine italienische Kindheit
«Fosse Ardeatine» hingemordet wurden, und um Don Giuseppe Morosini, der ebenfalls mit dem Widerstand in Kontakt stand – er wurde von den abziehenden Deutschen im Forte Bravetta erschossen.
Ein Jahr danach, 1946, sah ich einen zweiten Film Rossellinis –
Paisà
–, der vom Krieg in ganz Italien handelt. Er beginnt in Sizilien, um dann, den Stiefel hinaufziehend, in den Weiten der wasserreichen «Valli di Comacchio» an der Pomündung zu enden, wo die Widerstandskämpfe besonders blutig waren. In einer der ergreifendsten Episoden erinnert der Film auch an die Eroberung von Florenz durch die Alliierten. Er zeigt, wie die Deutschen am 4. August 1944 bis auf den Ponte Vecchio alle alten Brücken über den Arno in die Luft sprengten, darunter auch den 1557 von Bartolomeo Ammanati gebauten Ponte di Santa Trinita, ein Meisterwerk der Renaissance, den ich so oft während meines Aufenthalts in Florenz überquert hatte. Der Film beschreibt die von deutschen Soldaten begangenen Gräuel, ihre Massaker und die unmenschlichen Torturen, denen sie die Partisanen unterzogen, er spricht vom Gemetzel an hilflosen Zivilisten, die nur deshalb hingemordet wurden, weil sie Partisanen etwas zu essen gegeben hatten. Dies alles waren Kapitel der jüngsten Geschichte, vor denen ich nicht länger die Augen schließen konnte. Aus meiner Bestürzung gab es keine Flucht, und sie nahm noch zu, als ich im Kino eine Reihe nationalsozialistischer Propagandafilme aus deutschen Archiven sah. Die Amerikaner zeigten sie in den italienischenKinos, um die Militärmacht des Dritten Reichs vorzuführen und damit das eigene Verdienst herauszustellen, sie vernichtet zu haben. Vor meinen Augen zog eine unendliche Reihe von Militärparaden und nationalsozialistischen Aufmärschen vorbei, ich sah Szenen der Überführung deutscher Truppen von einer Front an die andere im Laufe des irrsinnigen Kriegs, den Hitler entfesselt hatte. Unvergesslich blieben mir jene Formationen, die in Berlin und in Nürnberg im Paradeschritt vorbeimarschierten, und besonders jene Szene, in der Soldaten die Fahnen der besiegten und besetzten europäischen Staaten durch den Staub zogen.
Es gab keinerlei Grund, an dem Gesehenen zu zweifeln. Die Zeugnisse waren überwältigend und fanden reichlich Bestätigung durch Zeitungsberichte und Radiosendungen wie auch durch die Erzählungen der Leute. Das Bild der Deutschen und ihres Verhaltens in Italien während des Kriegs kehrte sich nun völlig ins Negative, und zu Recht. Ich hörte jetzt zum ersten Mal den Namen einer Straße, die wegen der grausamen Folterungen an Partisanen, die hier stattgefunden hatten, zu trauriger Berühmtheit gekommen war. Es war die Via Tasso, wo die Gestapo ihr Hauptquartier mit angeschlossenem politischen Gefängnis hatte, in dem die Verhöre stattfanden. Zusammen mit der Via Tasso wurde oft auch der Name von Pietro Koch genannt, dem Anführer einer faschistischen Bande, die bei der Verfolgung der Resistenza mit der italienischen Polizei und der Gestapo zusammenarbeitete. Von den verschiedenen faschistischen Gruppen, die damals ihr Unwesen in Rom trieben, zeichnete sich die von Koch durch besondere Brutalität aus. Als Sohn einer italienischen Mutter und eines deutschen Vaters war Koch Grenadieroffizier im italienischen Heer gewesen.Seine Spezialität war es, versteckte Juden und Antifaschisten in Klöstern, Kirchen und sogar in Gebäuden, die dem Vatikan gehörten, aufzuspüren. Die Bande setzte sich aus finsteren Gestalten verschiedenster Herkunft zusammen. Unter ihnen befanden sich auch Verbrecher, aber die widerwärtigste Gestalt war ein gewisser Don Ildefonso. Er hieß in Wirklichkeit Alfredo Epaminonda Troya und vergnügte sich damit, lockere Liedchen am Klavier zu singen, während die Opfer den grässlichsten Folterqualen unterzogen wurden. Die Koch-Bande hatte ihren Sitz in der Pension Oltremare, dann in der Pension Jaccarino, wo sie die Personen, die sie gefangen hatten, festzuhalten und zu foltern pflegten. Ziel ihrer ersten Unternehmungen waren kirchliche Institute: Am Morgen des 21. Dezember 1943 drangen sie in das «Seminario Lombardo» ein und nahmen achtzehn Personen fest, die hier Schutz gefunden hatten. Dadurch ermutigt, dass die vatikanischen Behörden keinen Protest bei der deutschen Besatzung erhoben, gelang Koch ein noch größerer Coup. Er schlich sich mit seinen Leuten in das Kloster San Paolo fuori le mura ein und nahm hier sechsundsechzig Personen fest. Nun aber protestierte der
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