Eine Jungfrau Zu Viel
Wunsch seines Vaters mehr Informationen als politisches Druckmittel beschaffen sollte. Er beschloss, seinen Vater zu ignorieren, was ich – in Anwesenheit meines eigenen – nur gutheißen konnte. Aelianus war von Decimus zu mir geschickt worden, fühlte sich aber nun seiner Pflichten enthoben und trug seinen Bluterguss nach Hause, wo seine Mutter garantiert wieder mir die Schuld geben würde.
Manchmal war der Umgang mit den Camilli noch komplizierter als das Manövrieren um meine eigenen Verwandten.
Papa machte es sich an unserem Esstisch gemütlich wie jemand, der hofft, zum Essen eingeladen zu werden. Er hatte seinen verschlagenen Blick. »Ich hab gehört, dass du mit mir sprechen willst. Geht es um Helenas Projekt?« Sofort war ich verärgert. Wenn so eine Eröffnung von jemand anderem gekommen wäre, hätte ich sie benutzen können, um etwas über Helenas Vorhaben zu erfahren. Aber bei Papa war mir das zuwider. »Hat sie meinen Rat angenommen, sich an Gloccus und Cotta zu wenden?« Sein Rat? Mir sank das Herz. »Nur hab ich inzwischen gehört«, gestand mein Vater, dem es offenkundig unbehaglich zumute war, »dass es mit ihnen bergab geht …«
Jetzt klang die Sache wirklich dubios. »Ich bin sicher«, verkündete ich großspurig, »dass Helena mit jedem fertig wird, der ihr Schwierigkeiten macht.«
»Stimmt«, sagte Papa. Er wirkte besorgt. »Wahrscheinlich sollten sie uns Leid tun.«
Er sprang auf. Wenn er gehen wollte, bevor er mir eine Mahlzeit aus den Rippen geleiert hatte, musste er mehr Schuldgefühle haben als gewöhnlich.
Ich packte ihn bei der Schulter und drückte ihn zurück auf die Bank. Als ich ihm sagte, ich wolle mit ihm über Hilfe für Maia reden, fiel ihm ein, dass er eine dringende Verabredung hatte. Ich machte ihm klar, dass wir reden mussten, oder ich würde seinen Kopf in der Tür einklemmen. »Hör zu, wir haben eine Familienkrise, und wir Männer müssen sie lösen. Mama kann diesmal nicht einspringen; sie kümmert sich finanziell schon um Gallas Brut …«
»Wieso das? Der verdammte Lollius hat doch nicht gegen einen Löwen gekämpft.« Da Famia jetzt tot war, rangierte Lollius vermutlich als der schrecklichste meiner Schwager. Er arbeitete als Bootsmann auf dem Tiber, war stinkend faul und zu nichts nütze. Für ihn sprach nur seine Geschicklichkeit, uns allen aus dem Weg zu gehen. Das ersparte mir die Mühe, mir neue Möglichkeiten auszudenken, grob zu ihm zu sein.
»Leider nicht. Aber du weißt, dass der verdammte Lollius ein verdammter Nichtsnutz ist, und selbst wenn er Galla Geld gibt, kann man sie nicht als umsichtige Finanzverwalterin bezeichnen. Ihre Kinder verdienen diese schrecklichen Eltern nicht, aber Mama bugsiert die ganze wertlose Bande durchs Leben, so gut sie kann. Hör zu, Papa, Maia muss jetzt das Geld für Miete, Essen und dazu noch die Schulgebühren aufbringen, zumindest für Marius, der Rhetoriklehrer werden will – und sie hat gerade erfahren, dass Famia seinen Beitrag zum Begräbnisverein nie bezahlt hat, also muss sie auch dafür noch aufkommen.«
Papa richtete sich auf, eine grauhaarige, stämmige Gestalt mit leichten O-Beinen. Vierzig Jahre betrügerischen Kunsthandels hatten ihm geholfen, überzeugend auszusehen, obwohl ich wusste, dass er ein Schwindler war. »Ich bin mir der Lage deiner Schwester durchaus bewusst.«
»Wir sind uns dessen alle bewusst, Papa – Maia noch am meisten. Sie sagt, sie wird wieder für den dumpfbackigen Schneider arbeiten müssen«, berichtete ich ihm trübsinnig. »Ich hatte schon immer das Gefühl, dass der lüsterne Schuft ein Auge auf sie geworfen hat.«
»Wird Zeit, dass der sich aufs Altenteil zurückzieht. Der tut nicht viel, war schon immer faul. Er lässt all diese Mädchen für ihn weben und sie auch noch die halbe Zeit im Laden arbeiten.« Nachdem er sich kurz davon ablenken ließ, wegen der verlockenden jungen Weberinnen eifersüchtig auf den Schneider zu sein, wurde Papa nachdenklich. »Maia wäre hervorragend geeignet, ein Geschäft zu führen.«
Er hatte Recht. Ich ärgerte mich, dass er zuerst darauf gekommen war – und Maia, die Papa noch mehr verabscheute als ich, würde äußerst behutsam an jeden Vorschlag von ihm herangeführt werden müssen. Doch jetzt hatten wir eine Antwort, und Papa erklärte sich zu meiner Überraschung bereit, den alten Schneider davon zu überzeugen, sein Geschäft zu verkaufen. Und das Beste war, dass Papa anbot, das Geld dafür zur Verfügung zu stellen.
»Du
Weitere Kostenlose Bücher