Eine Jungfrau Zu Viel
verschwinden erneut.«
Ich fing ihren Blick auf. Erleichterung darüber, mich mit einbeziehen zu können, milderte ihren Kummer. Es war ein Schlamassel, aber jetzt konnte sie sich an meiner Schulter ausheulen. Allein die Gewissheit, endlich mit der Wahrheit herausrücken zu können, machte sie tapfer. »Gut, dass du nicht mit einem Mann zusammenlebst, der dich schlägt, Helena.«
»Oh, dafür bin ich unendlich dankbar. Es würde mich noch glücklicher machen, wenn du aufhören würdest, mich zu verspotten.«
»Keine Chance, Liebling.«
»Das dachte ich mir.«
Mit reumütigem Blick ließ sie sich von mir die erhitzte Wange streicheln. Sie trug ein dunkelrotes Kleid, dazu eine ganze Reihe von Armreifen, um die Narbe zu verbergen, die sie dem Skorpionstich bei Palmyra verdankte. Wegen unseres frühen Aufbruchs hatte sie ihr feines dunkles Haar einfach hinten in die Tunika gesteckt. Ich griff um sie herum und zog es heraus. Entspannter jetzt, lehnte Helena ihren Kopf gegen meine Hand. Ich zog sie an mich und drehte sie um, damit wir das Grundstück begutachten konnten.
Es war die Morgenstunde, in der die Sonne sich allmählich auf einen heißen Tag vorbereitet. Wir betrachteten das hübsche zweistöckige Haus, an dem sich in befriedigendem Rhythmus bogenförmige Kolonnaden unter den mit Läden versehenen Fenstern im ersten Stock wiederholten. Die Außenfassade war gleichmäßig und glatt, mit kleinen roten Türmchen an jeder Ecke, ein Portal mit niedrigen Stufen und zwei schlanken Säulen zu beiden Seiten.
Eine nervöse weiße Taube flatterte auf die Dachziegel. Vermutlich hatte sie auf dem warmen Dachboden genistet, obwohl das Dach völlig intakt aussah.
Auf dem Grundstück, das nun wohl ohne das berühmte Badehaus auskommen musste, befanden sich eine Terrasse mit Pinien und Zypressen, verwahrloste beschnittene Büsche auf einem abschüssigen Hang und neben dem Haus die üblichen Buchsbaumhecken und Spaliere. Pfade, wenige mit, die meisten ohne Kies, führten in entschlossener Weise vom Tor zum Haus und schlängelten sich dann durch den Garten bis hin zu der abgelegenen Stelle, an der Helena das Badehaus geplant hatte. Was dem Grundstück an Becken und Brunnen fehlte, würde für einen Planer wie mich viel Freiraum lassen, sie zu entwerfen und einzubauen (und sie wieder abzureißen, nachdem ein Kind hineingefallen war). Es war sehr friedlich hier.
Ich drehte meinen Gürtel um, damit sich die Schnalle nicht in Helenas Rücken drückte, während ich sie umschlungen hielt, über ihre Schulter schaute und ihren Nacken liebkoste. »Erzähl mir die ganze Geschichte.«
Sie seufzte. »Ich mochte es vom ersten Augenblick an«, sagte sie nach einer Weile leise und mit der Ehrlichkeit, die ich immer an ihr bewundert hatte. »Ich hab es für dich gekauft, weil ich dachte, es würde dir gefallen. Ich dachte, wir würden hier glücklich als Familie leben. Das Haus war in gutem Zustand, doch es gab genug, was wir nach eigenem Geschmack verbessern konnten, wenn wir Zeit und Lust dazu hatten. Aber ich betrachte es jetzt als Katastrophe. Du kannst nicht so weit weg von Rom wohnen.«
»Hm.« Mir gefiel es auch. Ich verstand genau, warum Helena es ausgewählt hatte.
»Wahrscheinlich kann ich es wieder verkaufen. Das Badehaus bauen lassen und es dann als ›neu renoviertes Haus mit Charakter – wunderbare Aussicht und eigene Bäder‹ auf den Markt bringen. Jemand anders kann dann herausfinden, dass Gloccus und Cotta keinen funktionierenden Abfluss eingebaut haben.«
»Und dass aus dem neuen Hypocaustum Rauch austritt.«
Helena wirbelte herum und sah mich entsetzt an. »O nein! Woher weißt du das?«
Ich schüttelte traurig den Kopf. »Wenn Holzköpfe wie Gloccus und Cotta so was einbauen, passiert das immer, Liebste. Und die Abzugsrohre werden voller Schutt sein – und ziemlich unzugänglich …«
»Nein!«
»So sicher, wie Eichhörnchen Nüsse fressen.«
Sie bedeckte das Gesicht und stöhnte. »Ich sehe schon die Schriftrolle mit der Schadenersatzforderung des neuen Besitzers vor mir.«
Wieder lachte ich. »Ich liebe dich.«
»Immer noch?« Erregt machte sich Helena von mir los und trat zurück. »Vielen Dank, aber du weichst dem Thema aus, Marcus.«
Ich griff nach ihrer schlanken Hand. »Verkauf es noch nicht.«
»Ich muss.«
»Wir richten es erst anständig her.« Die Sache schien plötzlich dringend zu sein. »Überstürz das nicht. Dazu besteht kein Anlass …«
»Wir müssen irgendwo wohnen, Marcus. Wir
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