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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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auf. Jill Bonaventura war das dritte Opfer. Sie war vor neun Jahren im Alter von dreiunddreißig umgebracht worden. Erwürgt.
    Zwanzig Minuten später saßen die beiden in meinem Wohnzimmer. Tony sah immer noch schrecklich aus. Aber wenigstens waren seine Augen klar, und er hatte sich rasiert.
    Karl Bonaventura war ein riesiger Mann in einem ziemlich abgetragenen Jeans-Overall. Er betrieb irgendeine Autowerkstatt. Als Tony mich ihm vorstellte, griff er nach meiner Hand, als ob ich eine Wunderheilerin sei.
    Dann entschuldigte er sich für seinen Überschwang. »Es tut mir leid. Aber Sie haben ja keine Ahnung, wie lange ich darauf gewartet habe, daß sich irgend jemand für den Mord an Jill interessiert. Glauben Sie etwa, diese Bullen hätten irgend etwas unternommen? Diese Typen wie Arcenaux und die anderen. Sie haben keinen Finger krumm gemacht. Und sie wissen gar nichts. Jills Tod interessiert sie nicht die Bohne.«
    Plötzlich brach er in Tränen aus, sein Körper wurde von Schluchzern geschüttelt. Tony machte eine unauffällige Handbewegung. Ich nickte. Ich hatte selten erlebt, daß Trauer aus einem Menschen derart hervorbrach, zumal seit dem Tod seiner Schwester doch schon mehr als neun Jahre vergangen waren.
    »Sie war eine schöne junge Frau. Aber niemand wußte, wie schön sie in Wirklichkeit war. Es war nicht gerecht, daß das passiert ist. Es war einfach nicht gerecht.« Er versuchte, zwischen den Schluchzern zu sprechen. »Sie war so lebendig, und im nächsten Moment drückt ihr jemand die Kehle zu und preßt alles Leben aus ihrem Körper. Ich konnte einfach nicht zulassen, daß es so endete. Und ich werde es niemals enden lassen - niemals.«
    Tony legte tröstend eine Hand auf Karls Schulter und schließlich gelang es ihm, ihn auf das Sofa zu drücken. Ich erinnerte mich an die Computerausdrucke mit den Protokollen der Verhöre von Karl Bonaventura. Der Mann war damals schon fast wahnsinnig vor Trauer gewesen - und keine der Aussagen, die er der Polizei gegenüber gemacht hatte, hatte die Ermittlungen irgendwie vorangebracht.
    »Mr. Bonaventura ist die ganzen vergangenen neun Jahre ununterbrochen in Kontakt mit der Polizei gewesen«, erklärte mir Tony, »aber sie ignorieren ihn ganz einfach.«
    »Haben Sie gehört, daß die Polizei jetzt glaubt, daß derselbe Täter, der Ihre Schwester tötete, noch sechzehn andere Menschen getötet hat?« fragte ich Karl.
    Er begann wieder zu schluchzen, dann riß er sich zusammen. »Die anderen sind mir egal. Seit neun Jahren suche ich den Mörder meiner Schwester. Jeden Tag, den Gott werden läßt, habe ich nur den einen Wunsch: mich zu ihr ins Grab zu legen. Ich habe Privatdetektive engagiert, ich habe das FBI angerufen, ich habe alles getan, was ich konnte: Und es hat alles nichts genützt. Aber sie können mich nicht aufhalten. Es ist mir gleichgültig, wie lange es dauert. Es ist mir egal, und wenn ich auf Knien ans Telefon rutschen muß ... ich ...« Er beugte sich plötzlich vor, als ob er schreckliche Schmerzen hätte, dann setzte er sich wieder auf und schwieg. Tränen liefen ihm übers Gesicht.
    Ich ging schnell in die Küche und holte ihm ein Glas kalten Orangensaft. Er nahm es entgegen - mit einer großen, von harter Arbeit gezeichneten Hand - und hielt es an seine Lippen, ohne zu trinken. Es war sehr unangenehm, eine so unermeßliche Trauer zu sehen, mit einem Mann im gleichen Raum zu sein, der es schlichtweg ablehnte, den Schmerz um den Tod seiner Schwester zu verarbeiten. Es war deprimierend, mitleiderregend und rührend, aber gleichzeitig auch irgendwie großartig.
    Ich sah, wie Tony bei jedem Wort und jedem Schluchzer des Bruders immer blasser und blasser wurde. Und ich hatte immer noch keine Ahnung, warum er diesen Mann in meine Wohnung gebracht hatte. Karl Bonaventura schien nicht vernünftig genug zu sein, um etwas zur Lösung des Falles beizutragen. Alles, was er hatte, war sein Schmerz und seine Wut.
    Tony rückte näher zu mir und legte mir leicht seinen Arm in den Nacken. Ich beeilte mich, wegzurücken, denn plötzlich war mir jeder Körperkontakt mit ihm unangenehm.
    Er schüttelte den Kopf, als ob er mir zeigen wolle, daß er gar kein Interesse an einer intimen Begegnung hatte. Dann setzte er zu einer Erklärung an.
    »Mr. Bonaventura hat etwas«, sagte er, »das dich ganz bestimmt interessieren wird.«
    »Wovon redest du, Tony?«
    »Er kann dich in die Wohnung seiner Schwester bringen.«
    Ich verstand kein Wort von dem, was Tony erzählte.

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