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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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Verwandten. Und vielleicht waren die statistischen Daten des FBI-Mannes auch reiner Zufall. Irgendwie haftete all meinen Überlegungen etwas Unrealistisches an. Es gab einfach zu viele Tote.
    Und ich dachte an Tony Basillio. Es war schon lange her, daß ich mich ihm hingegeben hatte.
    Als ich nicht antwortete, weil ich so in meine Gedanken versunken war, brüllte Arcenaux: »Wie oft wollen Sie eigentlich noch in diese Wohnung zurückkommen? Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß wir hier jeden Millimeter untersucht haben.«
    »Ich brauche nicht mehr lange«, gab ich zurück.
    Die Atmosphäre im Apartment der toten Brüder war an einem bewölkten Morgen genauso dramatisch wie an dem sonnigen Nachmittag, als ich zum ersten Mal hier gewesen war. Ich befand mich in der Kapsel eines Raumschiffs ... und die gläsernen Wände der Kapsel surrten in der luftigen Höhe.
    Ich saß auf einem Stuhl und sah mich um. In dieser Wohnung herrschte eine fast überwältigende Leere.
    »Sind Sie sicher, daß nichts aus dem Apartment entfernt wurde.«
    »Nur die Leichen. Und die Spielzeugmaus.«
    »Wo sind die Bücher und die Zeitschriften?«
    »Offensichtlich haben die beiden nicht gelesen.«
    »Was ist mit der Kleidung?«
    »Die Klamotten sind in den Schränken im Flur, neben den Badezimmertüren«, sagte Arcenaux ungeduldig.
    Ich ging zu den Schränken und öffnete sie. In einem waren ein paar Anzüge, Hemden, Mäntel, Pullover, Schuhe. Der andere enthielt sorgfältig gefaltete Bettwäsche und Handtücher. Auf dem Boden des Wäscheschranks lagen zwei zusammengelegte Decken. Offenbar hatten die Brüder auf den Sofas geschlafen, klappten sie nicht einmal auseinander, sondern legten einfach eine Decke darüber.
    Ich schloß die Schranktür und ging langsam durch das große Zimmer. Mir wurde bewußt, daß, wenn ich ein Zuschauer gewesen wäre und ein Stück gesehen hätte, das in diesem Apartment spielte, ich von einem Gefühl totaler Verlassenheit überwältigt worden wäre. Diese Wohnung wirkte, als ob hier niemals jemand wirklich gewohnt hätte oder der Bewohner gerade im Begriff wäre, auszuziehen.
    Ich schaute durch die Fenster hinaus. Es gab noch eine andere, aufregendere Erklärung für die spärliche Ausstattung dieser Wohnung: Die Mieter hatten gewußt, daß sie sterben würden, und sie hatten ihren Frieden mit dem weltlichen Besitz gemacht, indem sie ihn aufgaben.
    »Finden Sie es nicht komisch, daß die Wohnung so leer ist?« fragte ich Arcenaux.
    »Manche Leute finden das schön und andere nicht«, antwortete er.
    Ich ging weiter in dem Apartment umher. Es gab überhaupt keinen Krimskrams. Keine Aschenbecher. Keine gerahmten Fotos. Keine Vasen. Keine Muscheln. Keine Leuchter und keine Kerzen.
    »Haben Sie irgend etwas über ihre Siamkatze herausgefunden?«
    Meine Frage war Arcenaux peinlich. »Nein, verdammt nochmal, gar nichts. Der Portier dieses Hauses hat uns gesagt, daß ein Verwandter die Katze mitgenommen hätte. Aber jetzt behauptet er, daß er sich an diese Aussage nicht mehr erinnern kann. Und wir können weder den verdammten Verwandten noch die verdammte Katze finden.«
    Ja, genau das hatte ich erwartet. Ich schaute auf den Van Gogh-Druck an der Wand; das Bild, das ich bei meinem ersten Besuch gerade gerückt hatte.
    »Welchem der Brüder hat die Katze gehört, bevor sie zusammengezogen sind?«
    »Jack.«
    Ich nickte. Auf ihn mußte ich mich konzentrieren: auf Jack. Aber beide Brüder blieben Schemen ohne Besitz, ohne Bücher, ohne Bezug zur materiellen Welt.
    »Hören Sie, ich gehe eine Tasse Kaffee trinken. Wie lange wollen Sie noch bleiben?« fragte Arcenaux.
    »Eine halbe Stunde«, antwortete ich.
    Er schlug ärgerlich die Tür hinter sich zu. Ich dachte darüber nach, daß ich in sehr kurzer Zeit ein sehr spitzer Dorn in Retros Auge geworden war. Aber sie konnten doch zufrieden sein; jetzt war ich schließlich nur noch Teilzeit-Beraterin.
    Ich ging in den Küchenbereich. Es gab weder Schachteln noch Dosen mit Katzenfutter. Der Kühlschrank und die Regale waren fast leer. Auf einem Trockengestell standen ein paar Töpfe und Pfannen. Auf dem Herd befand sich gar nichts.
    Ich öffnete die Schränke. Ein paar Küchengeräte. Ein Dosenöffner. Ich schaute in den Schrank über der Spüle. Pappteller. Pappbecher. Papierservietten.
    Dann ging ich in die Ecke des Küchenbereichs und öffnete den Besenschrank. Kein Schrubber. Kein Besen. Keine Putzmittel.
    Dieser Besenschrank war völlig leer, abgesehen von ein paar

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