Eine Katze im Wolfspelz
von ihnen Ziegeldächer und gemauerte Fronten bekommen.
Ich folgte Tony, der langsam auf der einen Straßenseite entlangging und nach den Hausnummern suchte. Schließlich zeigte er auf ein Haus. »Dreiundzwanzig-Null-Fünf. Das ist die Nummer. Das ist es.« Bonaventuras Haus war mit bläulichen Schindeln gedeckt; jedenfalls sahen sie in der Nacht so aus.
»Und was machen wir jetzt?« fragte Tony.
»Wir gehen zur Eingangstür und klingeln«, sagte ich.
Das taten wir. Niemand öffnete. Ich klingelte wieder und ließ meine Hand lange auf dem Knopf.
»Und was machen wir jetzt?« fragte Tony.
»Du holst jetzt dein Schweizer Messer heraus. Du nimmst diesen kleinen Zahnstocher an der Seite. Den steckst du ins Schlüsselloch und versuchst, die Tür aufzumachen«, gab ich zurück und drehte dabei an dem Türknauf, um meine Anweisungen an den zunehmend zögerlichen Tony zu unterstreichen.
Die Tür sprang auf! Wir starrten sie beide ungläubig an.
»Vielleicht sind die anderen Einbrecher uns zuvorgekommen«, sagte Tony.
Wir gingen hinein, schlossen die Tür hinter uns und schalteten das Licht im Flur an. Hier war es ganz anders als im Apartment seiner Schwester, der Kultstätte. Von einem langen Flur ging eine Reihe schmuddeliger kleiner Kammern ab, am anderen Ende lag die Küche. Karl Bonaventura hatte offenbar sehr viel Zeit damit verbracht, aus der Wohnung seiner Schwester ein Heiligtum zu machen, und hatte seine eigenen vier Wände dabei völlig vernachlässigt.
»Was passiert, wenn er plötzlich nach Hause kommt?« fragte Tony.
»Na, dann wollten wir ihn einfach besuchen. Wir haben geklingelt. Es war keiner zu Hause, aber die Tür war offen, und da haben wir befürchtet, daß eingebrochen worden sei; und deshalb sind wir reingegangen.«
Ich fing mit dem Wohnzimmer an und durchsuchte den gesamten Raum sorgfältig. Ich schaute in alle Schränke und unter jedes Möbelstück. Ich überprüfte alle gerahmten Bilder an den Wänden - keines hing schief. Tony saß in einem Sessel und sah mir zu; offenbar war er der Ansicht, sein Soll erfüllt zu haben, indem er mir Zugang zum Haus verschafft hatte.
Ich fand nichts Interessantes im Wohnzimmer. Ich ging in den langen Flur. Auch hier hingen Bilder an den Wänden. Ich suchte nach einem schiefen, aber sie hingen alle gerade in Reih und Glied. Ich schaute in die unaufgeräumten Wandschränke. Da gab es Werkzeuge und Lumpen und alte Zeitungen, aber keine Blattsträußchen. Nichts.
Es gab zwei Schlafzimmer, auf jeder Seite des Flures eines - kleine, enge Räume, In jedem davon stand ein schmales Einzelbett und ein Nachttisch. Bilder hingen hier keine.
Ich betrat das westlich gelegene Schlafzimmer und setzte mich für einen Augenblick auf das schmale Bett. Die Matratze war fest und elastisch, als ob kaum jemals darauf geschlafen worden wäre.
»Findest du nicht auch, daß es hier komisch riecht?« fragte Tony. Er stand im Flur.
Ich sog die Luft ein. Ja, da war ein schwacher, merkwürdiger Geruch in diesem Haus.
»In der Küche riecht man es stärker«, sagte er.
»Vielleicht hat Karl das Gas angelassen, als er weggefahren ist«, sagte ich.
»Nein, das ist kein Gas«, gab Tony zurück.
Wir gingen beide in die Küche, den letzten Raum in diesem kleinen Haus. Von hier führte eine Tür auf den Hinterhof. In der Küche herrschte ziemliches Chaos - Töpfe, Pfannen und Kartons waren auf Stühlen und Tischen verstreut. Und der Wasserhahn tropfte ganz fürchterlich.
»Einer, der seinen Lebensunterhalt mit Autoreparaturen bestreitet, sollte eigentlich in der Lage sein, seinen Wasserhahn zu reparieren«, meinte Tony.
»Unser kleiner Psychopath hat andere Dinge im Kopf.«
»Vielleicht ist er deswegen wahnsinnig geworden ... die chinesische Tropfenfolter, weißt du: plop, plop, plop.«
Ich öffnete den Kühlschrank. Vielleicht kam der Geruch ja von vergammelten Lebensmitteln. Der Kühlschrank war leer, bis auf zwei Päckchen mit Fertiggerichten im Eisfach.
»Verdammt! Hier gibt es einen Keller«, rief Tony. Er ging zu der schmalen, niedrigen Tür, die ich auf den ersten Blick für eine Schranktür gehalten hatte. Direkt hinter der Tür hing eine Glühbirne. Tony knipste sie an.
Wir blickten skeptisch auf die wackelige Stiege. Der Geruch war jetzt intensiver.
Wir kamen niemals auf den unteren Stufen an. Plötzlich versperrte uns etwas die Sicht.
Am Ende der Treppe hing, an einem gedrehten Seil, die verwesende Leiche von Karl Bonaventura.
Das Seil war an einem Haken an der
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