Eine Katze im Wolfspelz
und wir miteinander geschlafen haben. Erinnerst du dich, wie schlecht ich aussah, wie fertig ich war, wie durcheinander ich war, weil ich meine Frau und meine Kinder verlassen hatte, um in eine Welt zurückzukehren, an der ich schon einmal gescheitert bin? Ja, und als wir dann miteinander geschlafen hatten, hatte ich keine Angst mehr. Ich wußte, alles würde irgendwie gut werden.«
Er lachte eines seiner albernen Lachen, ein selbstironisches Lachen, das mich sehr unbehaglich fühlen ließ.
»Und dann«, sagte er mit dramatischer Stimme, »hast du dich zurückgezogen.«
»Ich habe mich nicht zurückgezogen, Tony. Du vergißt Jill Bonaventuras Wohnung. Dort haben wir auch miteinander geschlafen.«
»Daran ist nicht zu rütteln«, gab er böse zurück, »aber diese Tatsache ändert nichts daran, daß du dich zurückgezogen hast.«
»Ich hasse dieses Wort, Tony. Es klingt so, als ob ich eine Art anerkanntes Arzneimittel bin. Wie Insulin. Entweder werde ich injiziert, oder ich ziehe mich zurück.«
»Wie würdest du dein Verhalten denn bezeichnen?«
»Es sind viele andere Dinge passiert.«
»Es werden jeden Tag Menschen umgebracht, Alice.«
»Setz mich nicht unter Druck, Tony.«
»Ich setze dich nicht unter Druck. Ich versuche lediglich, eine vernünftige Erklärung zu bekommen.«
Ich ging zum Fenster und stellte mich neben ihn. Wir waren beide mit den Nerven am Ende und fix und fertig. Ich hatte keine Lust, weiter mit ihm über unsere Beziehung zu reden. Ich wollte nicht mit ihm schlafen. Aber ich wollte auch nicht, daß er wütend war. Nicht jetzt. Ich brauchte ihn aus ganz vielen Gründen.
»Tony, hast du jemals darüber nachgedacht, daß wir beide Menschen mittleren Alters sind, die versuchen, eine alte Jugendliebe noch einmal zum Leben zu erwecken. Es spielt keine Rolle, wo oder wie wir danach suchen, es ist einfach nicht da.«
»Theorien interessieren mich nicht, Alice. Warum schlafen wir jetzt nicht zusammen? Jetzt gleich. Verstehst du? Okay. Und später fahren wir dann nach Brooklyn, in das Haus dieses Gestörten. Okay. Aber jetzt laß uns ins Bett gehen.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ja«, sagte er bitter, »das ist genau das, wovon ich rede. Woher ist dieses allmächtige NEIN plötzlich aufgetaucht? Schließlich gab es ja mal dieses wunderbare JA. Kannst du mir nicht einfach die Wahrheit sagen? Vielleicht hast du ja nur einfach zu lange mit den Bullen rumgehangen, und jetzt kannst du nur noch in Berichtform reden - wie bei Retro.«
»Es ist wirklich sehr schwer zu beschreiben, Tony.«
»Versuchen wir’s doch einfach. Hast du zum Beispiel Sehnsucht nach mir, wenn ich nicht da bin?«
»Manchmal.«
»Wovon hängt dieses ›manchmal‹ ab?«
»Ich weiß es nicht, Tony.«
»Ich sehne mich die ganze Zeit nach dir, Alice.«
»Vielleicht hat es mit diesen schrecklichen Morden zu tun.«
»Oder vielleicht ist es das Wetter«, gab er frustriert zurück.
»Was soll ich denn deiner Meinung nach machen, Tony? So tun als ob? Dir etwas vormachen? Ich versuche, dir die Wahrheit zu sagen. Die ganze Angelegenheit ist für mich genauso verwirrend wie für dich. Manchmal begehre ich dich und manchmal eben nicht.«
»Sex wie das Wetter - mal scheint die Sonne, und mal scheint sie eben nicht.«
Langsam wurde ich wütend auf ihn. »Wenn du es nicht aushältst, kannst du ja gehen«, sagte ich.
»Genau das werde ich tun«, brüllte er. »Ich habe sowieso die Nase voll von diesem verdammten Detektivspielen.«
Er machte drei wütende Schritte zur Tür. Dann blieb er ruckartig stehen.
»Ich rege mich besser ab«, sagte er reuevoll, »mein Gesicht fängt wieder an weh zu tun.« Er lachte über sich selbst und fuhr sich mit dem Finger vorsichtig über die Wunden.
»Wir sollten uns beide beruhigen.«
»Wir brauchen ein Drehbuch«, sagte er mit leisem Lachen.
»Genau. Wir sind schlecht im Improvisieren.«
»Wir brauchen ein Drehbuch, geschrieben von einem einbeinigen, zweiundvierzigjährigen Autor, der seine Brötchen damit verdient, T-Shirts vor der Carnegie-Hall zu verkaufen, und der unsterblich in eine Ballettänzerin verliebt ist, die ihren Unterhalt bestreitet, indem sie im Zirkus auf einem Elefanten reitet. Und der Elefant heißt ...« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf.
»Alice«, schlug ich vor.
»Nein, das klingt zu amerikanisch.«
»Greta.«
»Zu europäisch.«
»Honey.«
»Das kann man sich zu schlecht merken.«
»Lutzi.«
»Genau. Das ist ein wunderschöner Name. Wie bist du darauf
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