Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
Vom Netzwerk:
Maschinen bei Retro. Die hatten doch nur eines herausgefunden: daß an jedem Tatort eine Spielzeugmaus hinterlassen worden war. Ich hatte viel mehr entdeckt: daß sämtliche Katzen der Opfer verschwunden waren; daß wenigstens eine dieser Katzen auf eine unerklärliche Reise nach Desolate Swamp geschickt worden war; daß mindestens eines der Opfer in eine Liebesaffäre verstrickt gewesen war, deren Kennzeichen merkwürdige Blattsträußchen waren; daß der Mörder in mehreren Wohnungen der Opfer schiefe Bilder hinterlassen hatte; daß die zeitlichen Abstände der Taten mit Paarungszeit, Trächtigkeitsdauer und Geburtszyklus von Katzen zusammenhingen; und daß einer der Verwandten der Opfer Zahlungen in Höhe von zweitausendfünfhundert Dollar für nichts und wieder nichts geleistet hatte. Aber außer all diesen Tatsachen wußte ich gar nichts. Retro wußte nichts. Tony wußte nichts. Die Welt wußte nichts. Ja, mein Stolz war verletzt.
    Ich drehte mich um und blickte auf den langen Tisch. Pancho saß immer noch dort. Das war komisch. Er hatte noch nie so lange still irgendwo gesessen. »Pancho«, flüsterte ich, »bist du krank?« Er betrachtete mich eingehend. Wie seine Augen immer leuchteten! »Kann ich etwas für dich tun, Pancho?« Er wandte sich wieder seiner Pfote zu. Ich ging zurück zum Sofa.
    Die Nacht verging, während wir dort saßen. Tony war abwechselnd schweigsam und redselig. Wenn er sprach, redete er von den zunehmenden Schuldgefühlen, die er empfand, weil er seine Frau und seine Kinder verlassen hatte, und davon, daß er Angst davor hatte, zu ihnen zurückzukehren und gleichzeitig Angst davor, nicht zu ihnen zurückzukehren. Alles was ich darauf antworten konnte war, daß das ganz normal sei.
    Ich schlief in meinen Kleidern ein, meinen Kopf über die Sofalehne gelegt, wie ein Kätzchen auf einem Ast.
    Als ich aufwachte, war meine ganze linke Seite verspannt. Morgenlicht flutete durch das Zimmer. Wo waren Tony und Bushy?
    »Bleib einfach liegen, Alice, und laß dich bedienen«, hörte ich Tony aus der Küche rufen. Und dann kam er mit einem Kaffee für mich ins Wohnzimmer. Ich trank ihn langsam.
    »Du hast den Zucker vergessen, Tony.«
    Er lief zurück in die Küche. Ich stand auf, streckte mich und ging langsam zum Fenster, während ich meinen Hals dehnte.
    »Hier ist der Zucker«, rief Tony und kam mit zwei Beutelchen zurück. Er legte sie auf den Eßtisch.
    Ich wandte mich von dem Anblick der Straße ab, drehte mich zu ihm um und brach in Lachen aus.
    Bushy saß auf seinen Schultern. Er hatte sich wie eine Pelzstola um Tonys Hals gelegt. Beiden schien diese Haltung sehr zu behagen.
    »Ich sehe, ihr werdet langsam enge Freunde«, sagte ich.
    Tony lachte. Dann zog er vorsichtig an Bushys Hinterpfoten, die über seiner rechten Schulter hingen.
    »Ich habe ihn hinsichtlich verschiedener Probleme um Rat gefragt.«
    »Sei vorsichtig, Tony. Bushy hat einen ziemlich sonderbaren Sinn für Humor.«
    Tony ging mit Bushy zurück in die Küche. Ich öffnete die Zuckertütchen und schüttete den Inhalt in die Tasse. Ich setzte mich wieder auf das Sofa und nippte an dem schwarzen Kaffee. Es war ein komischer Morgen. Tony kam wieder ins Wohnzimmer, immer noch mit Bushy um den Hals. Er hatte eine kleine Mülltüte in der Hand.
    »Ist das ein Blumenstrauß für mich, Tony?«
    »Wo kann ich das loswerden?«
    Ich stand auf, ging zur Tür, öffnete sie und zeigte auf die Klappe des Müllschluckers im Hausflur. Er brachte die Tüte hinaus und war in wenigen Sekunden zurück. Ich schloß die Tür hinter ihm.
    »Geht es dir gut, Alice? Du siehst plötzlich so blaß aus.«
    Ich fühlte mich schwach.
    »Setz dich, Alice«, sagte Tony in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Ich setzte mich auf das Sofa. Tony gab mir die Kaffeetasse. Ich nippte.
    »Soll ich dir irgendwas holen?« fragte er und ließ Bushy von seinen Schultern steigen.
    »Nein, es geht schon wieder. Es war nur eine alte Erinnerung, die mich überkommen hat.«
    »Was für eine Erinnerung?«
    »Daß wir beide ein Liebespaar sind.«
    »Na ja, das sind wir doch.«
    »Nein, Tony, ich meine, daß wir irgendwie ein anderes Liebespaar geworden sind.«
    »Wer?«
    »Jack Tyre und Georgina Kulaks.«
    »Du redest schon wieder ziemlichen Blödsinn, Alice.«
    Ich antwortete nicht. Mir war klar, daß es am besten war, gar nichts zu sagen. Tony würde den Zusammenhang sowieso nicht verstehen. Er hatte mir einen Müllstrauß angeboten. Georgina hatte ihrem Liebhaber

Weitere Kostenlose Bücher