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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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verbergen versuchte. Aber warum wollte das Mädchen nicht, daß Jo ihren Kummer sah? Gerade Jo würde doch verstehen, wenn Ginger um Harry trauerte.
    Es sei denn, es war die Trauer einer Geliebten.
    Als ich Ginger vor das Cottage führte, den Arm fest um ihre Schulter gelegt, erkannte ich mit erstaunlicher Gewißheit, daß dieses junge Mädchen und der alte Harry Starobin Liebhaber gewesen waren.
4
    Es war um sechs Uhr morgens, vier Tage nach dem Mord an Harry, als ich wieder von Jo Starobin hörte. Ihr Anruf weckte mich aus tiefem Schlaf. Wie immer war es zu dieser Morgenstunde bitterkalt in meiner Wohnung. Wie immer lag Bushy auf dem Kopfkissen neben mir. Pancho trieb sich irgendwo herum und plante vermutlich seinen nächsten Fluchtversuch.
    »Spreche ich mit Alice Nestleton?«
    Ich hatte noch gar nichts gesagt, aber genau diese Worte hörte ich, als ich den Hörer aufgenommen hatte. Schlaftrunken wie ich war, kam mir die Frage ungeheuer lustig vor. ›Spreche ich mit Alice Nestleton?‹ Spreche ich mit Julia? Ist Romeo zu Hause?
    Mein Lachen verwirrte den Anrufer.
    »Kann sein, daß ich die falsche Nummer gewählt habe. Ich… suche Alice Nestleton.«
    »Gratuliere. Sie haben sie gefunden«, sagte ich, und das kam mir noch lustiger vor.
    »Ich bin’s, Alice. Jo Starobin.«
    Ich kam mir dumm vor und schämte mich. »Tut mir leid, Jo. Ich wußte nicht, daß du es bist. Ich bin gerade erst aufgestanden.«
    »Entschuldige, daß ich so früh anrufe. Ich bin in Manhattan, im Hotel Tudor.«
    »An der Forty-second Street?«
    »Ja. Können wir uns heute morgen treffen? Um neun Uhr?« Ihre Stimme klang gehetzt, drängend, hoffnungsvoll.
    Hatte ich irgendwelche Termine? Mir fiel keiner ein. Ich sagte Jo, daß ich um neun Uhr bei ihr sein würde.
    »An der Chemical Bank«, sagte Jo. »An der Fifty-first Street und Third Avenue.«
    Ohne ein weiteres Wort legte sie auf. Benommen lauschte ich dem Freizeichen. Dann legte ich den Hörer auf und kuschelte mich ins Bett. In den vier Tagen, die seit dem Mord vergangen waren, hatte ich angestrengt darüber nachgedacht, wie ich Jo durch eine Geste oder durch Worte zu verstehen geben konnte, daß ich ihre tiefe Trauer nachempfinden konnte. Aber mir war nichts eingefallen, das aufrichtig genug gewesen wäre; darum hatte ich’s bleiben lassen: Ich hatte Jo keine Karte geschickt, keine Blumen, ich hatte sie nicht angerufen – gar nichts. Jetzt konnte ich ihr wenigstens ein bißchen helfen. Vielleicht brauchte sie eine Schulter, an der sie sich ausweinen konnte. Vielleicht wollte sie mir irgend etwas über Harry erzählen.
    Als ich mich anzog, klingelte das Telefon noch einmal. Es war Carla Fried.
    »Bist du wieder in Montreal?« fragte ich.
    »Nein.« Sie lachte. »In Atlanta. Ist was dazwischen gekommen. Du weißt ja, wie das bei uns berühmten Theaterleuten so geht.«
    Ich hoffte, daß Carla nicht wegen der Wärterinnen-Rolle Druck machen wollte. Zur Zeit hatte ich andere Dinge im Kopf.
    »Weißt du, Alice, ich wollte dir nur sagen, wie schön es gewesen ist, dich mal wieder getroffen und mit dir geredet zu haben. Mit dir könnte ich mich fünf Tage an einem Stück unterhalten.«
    »Wie in alten Zeiten«, sagte ich.
    »Wie in den guten alten Zeiten«, verbesserte sie mich; dann fügte sie atemlos hinzu, als wäre sie in großer Eile: »Hör mal, Alice, ich weiß noch nicht, wie mein Terminplan aussieht. Aber wenn mein Rückweg mich über New York führt, treffen wir uns noch mal, ja?«
    Ich war einverstanden. Carla legte auf. In Anbetracht der schrecklichen Geschehnisse in Old Brookville erschien mir der Gedanke irgendwie frivol, daß meine alte Freundin Carla Fried wie die Hollywood-Version eines Theaterdirektors durch die Lande hetzte.
    Ich verließ meine Wohnung, die sich an der Twenty-sixth Street und Second Avenue befindet, um acht Uhr und ging langsam in Richtung Innenstadt. Es war einer der seltsamen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr, an denen die Leute einen erschöpften und verwirrten Eindruck machen. Der Radiorekorder eines farbigen Teenagers plärrte irgendeinen Rap-Song, den ich zuerst für die auf modern getrimmte Version eines Weihnachtsliedes hielt.
    Gegen Viertel vor neun war ich am Bankgebäude. Jo stand wie ein verlorenes Kind da; sie trug ein Paar große altmodische Ohrenschützer, die ihr ein lächerliches Aussehen verliehen.
    »Wir sind früh dran. Wir müssen noch ein Weilchen warten, bis die Bank aufmacht«, sagte Jo.
    Ich war gar nicht auf den Gedanken

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