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Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren

Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren

Titel: Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerth Medien GmbH
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schwarzer Zopf wie der Schwanz eines Pferdes im Wind wippte.
    Eines Tages war Rosa nicht zur Schule gekommen. Mrs. Jeano legte ihre Hand auf Rosas leeres Pult und sagte: „Es hat einen Unfall gegeben. Gestern wurde Rosa von einem Wagen angefahren. Sie liegt im Krankenhaus. Ihr Ball war auf die Straße gerollt und sie ist hinterhergelaufen, ohne vorher nach links und rechts zu sehen.“
    Als ich hörte, was passiert war, wurde mir ganz kalt im Magen, als hätte ich eine Handvoll Eis geschluckt. In der Pause trank ich einen Schluck Wasser. Das Wasser glitt über meine Zunge, aber es konnte das Eis in meinem Magen nicht zum Schmelzen bringen. Ich setzte mich in das hohe Gras, wo Rosa und ich immer gelaufen waren.
    Alle in der Schule waren traurig und hatten Angst um Rosa. Sie blieb fünf Wochen im Krankenhaus. Die Ärzte richteten zwar all die gebrochenen Knochen in ihrem Arm und den Beinen und sie sagten, dass Rosa wieder würde laufen können. Aber es würde lange dauern.
    Heute kommt Rosa wieder in die Schule, aber ihr Stuhl wird trotzdem leer bleiben.
    „Hey, Christa!“, ruft sie und rollt in ihrem glänzenden Rollstuhl in die Klasse.
    „Hey, Rosa“, rufe ich zurück.
    Sie lächelt. Ihre Beine stecken in rosa Gips und ihre Füße in nagelneuen rosa Turnschuhen.
    In der Pause schiebe ich Rosa nach draußen. Es ist gar nicht so einfach, ihren sperrigen Rollstuhl durch die enge Tür zu manövrieren.
    Rosa beobachtet uns beim Seilspringen. „Keine Hausaufgaben mehr. Keine Bücher mehr!“, singt sie, während ich an der Reihe bin.
    „Hey, Rosa!“, rufe ich. „Sieh mir zu, wie ich klettere!“ Aber sie sieht nicht zu. Stattdessen betrachtet sie aufmerksam ihre Schuhe. Ich renne zu ihr hinüber, flechte ihr rosa Band in ihr dichtes schwarzes Haar und flüstere ihr ins Ohr: „Keine Sorge, Rosa. Du wirst wieder laufen.“
    „Ich weiß“, antwortet sie, „aber meine Schuhe …“
    Ich verstehe, was sie meint. Die hübschen rosa Schuhe passen nicht zu ihr. Rosas Schuhe waren immer braun und dreckig vom Schmutz des Schulhofes.
    „Sollen wir sie für dich einlaufen?“, frage ich.
    „Oh ja!“
    „Hey, Susie! Hey, Tom! Kommt her.“
    Wir ziehen Rosa die neuen Schuhe aus. Die Mädchen wechseln sich ab, in Rosas Schuhen Seil zu springen. Dann werfen wir sie über den Spielplatz und spielen Himmel und Hölle darin. Die Jungen lassen Rosas Schuhe die Rutsche hinunterrutschen. Sie werfen sie sich wie einen Ball zu und trampeln auf ihnen herum, während Rosa lacht.
    „Kinder!“, schreit Mrs. Jeano. „Was macht ihr denn mit Rosas neuen Schuhen?“
    „Sie laufen sie ein!“, antwortet Rosa.
    Schließlich helfe ich ihr, die Schuhe wieder anzuziehen. Sie haben viele braune Flecken und ich binde ihr die schmutzigen Schnürsenkel zur Schleife. Jetzt sehen sie aus wie Rosas Schuhe. Die Schulglocke läutet und ich schiebe Rosa in ihrem Rollstuhl ins Schulhaus. Sie schnippt die Finger im Takt zum Geräusch der Räder des Rollstuhls. Hüpfend schiebe ich sie den Flur entlang.
    Wenn Rosa wieder laufen kann, wird sie mit mir durch das hohe Gras rennen, ihr langer Zopf wird wie ein Pferdeschwanz wippen. Ich bin froh, dass ich geholfen habe, ihre neuen Schuhe einzulaufen. Jetzt sind sie bereit für den Tag, an dem Rosa wieder laufen wird.
    Janet Lee Carey
    Die Lektion eines Bruders
    Ich wuchs auf in dem Haus, in dem mein Bruder fast 33 Jahre lang flach auf dem Rücken in seinem Bett lag, immer in derselben Ecke seines Zimmers, unter demselben Fenster, an derselben gelben Wand. Oliver war blind und stumm. Seine Beine waren verkrüppelt. Er hatte weder die Kraft, alleine den Kopf zu heben, noch die Intelligenz, irgendetwas zu lernen.
    Heute bin ich Englischlehrer und jedes Mal, wenn ich mit einer Klasse das Theaterstück über Helen Keller „Der Wunderwirker“ durchnehme, erzähle ich meinen Schülern von Oliver. Eines Tages, in meinem ersten Jahr als Lehrer, hob ein Junge in der letzten Reihe die Hand und sagte: „Oh, Mr. de Vinck. Sie meinen, er vegetiert dahin.“
    Zuerst war ich wie vor den Kopf geschlagen. Meine Familie und ich haben Oliver gefüttert. Wir wechselten seine Windeln, hängten seine Wäsche und seine Bettwäsche im Winter unten im Keller auf die Leine und breiteten sie im Sommer auf dem Rasen zum Trocknen aus. Es hat mir immer Spaß gemacht zu beobachten, wie die Grashüpfer auf den Bezügen herumhüpften.
    Wir badeten Oliver, kitzelten ihn an der Brust, um ihn zum Lachen zu bringen. Manchmal ließen wir das

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