Eine Klasse für sich
Zudem widerstrebte es ihr wie allen ihresgleichen gründlich, mit Geständnissen über ihr Gefühlsleben herauszurücken, die womöglich gegen sie verwendet werden konnten. Aber schließlich nickte sie. »Zu einer gewissen Zeit schon«, sagte sie. Dann klappte sie das Visier rasch wieder zu. »Wir sollten zu den anderen hinausgehen. Ich glaube, das Feuerwerk fängt gleich an.« Wie als Antwort setzte unvermittelt ein pfeifendes Zischen ein, und durch die hohen, vorhanglosen Fenster sahen wir eine Rakete in den Nachthimmel steigen. Mit einem lauten Knall explodierte sie zu einer üppigen Fontäne goldener Funken, begleitet von einem bewundernden »Ooh!«.
»Ist Andrew auch da?« Nach den Gesetzen der Höflichkeit durfte ich mich vor dieser Frage nicht länger drücken. Trotzdem kam sie etwas holprig heraus, als bliebe sie an meinen Lippen kleben.
Sie nickte. »Draußen bei den Kindern. Er hat ein großes Faible für Feuerwerke.« Hinter ihr füllte sich nun das Vorzimmer, etliche Gäste drängten aus dem Salon herein, um über diesen Umweg schneller auf die Terrasse zu kommen. Serena schloss sich ihnen an. Ich hielt mich neben ihr, und wir traten durch die offenen Terrassentüren hinaus in die plötzliche Kälte der Nachtluft. Weiter rechts tauchten aus dem Gobelin-Salon die restlichen Hausgäste auf, und auf der breiten Terrasse herrschte dichtes Gedränge. Eine zweite Rakete, ein zweiter Knall, ein zweiter Funkenregen, ein zweites »Ooh.«
»Andrew, schau mal, wer da ist!«
Ich empfinde es immer noch als persönliche Beleidigung, dass sie von allen Männern dieser Welt ausgerechnet Andrew Summersby geheiratet hat. Wie konnte sich mein Idol aus freien Stücken für diesen schwerfälligen Trampel entscheiden? Shakespeares Titania stand immerhin unter Drogen, als sie sich in den Esel Bottom vergaffte. Aber meine Titania hatte ihren Bottom stocknüchtern und sehenden Auges auserwählt. Natürlich wussten wir alle, dass Lady Claremont ihre Tochter entschlossen angeschoben hatte, blindlings der heiligen Regel folgend, als Mutter müsse sie eine passende Heirat arrangieren. Und ein Mann von gleichem Rang und Vermögen stach nun einmal alle anderen aus. Genauso wussten wir, dass Lady Belton von der anderen Seite geschubst hatte, bis sie sich fast die Schulter auskugelte. Trotzdem war es für mich damals kaum zu begreifen, und rückblickend noch weniger. Ich fragte mich insgeheim, ob Lady Claremont in der heutigen Welt, in der andere Werte und ein anderes Bewusstsein herrschen, diese Verbindung immer noch so verbissen vorangetrieben hätte. Ich möchte es bezweifeln.
Andrew drehte mir ausdruckslos sein bulliges Gesicht zu, das noch breiter, flacher, röter, dümmlicher und, falls überhaupt möglich, abstoßender war als damals, und nahm mich mit einem bierernsten, pompösen Nicken zur Kenntnis. »Hallo«, sagte er knapp. Dass unsere letzte Begegnung schon eine halbe Ewigkeit zurücklag, war ihm keine einzige Frage oder höfliche Floskel wert.
Bridget hatte durch die Menge zu uns gefunden und wählte diesen Moment, um sich besitzergreifend bei mir einzuhaken und ihre Eigentumsrechte zu demonstrieren, wobei sie Serena selbstgefällig anlächelte. Das alles reizte mich bis aufs Blut, was ich mir aber nicht anmerken ließ. »Darf ich Bridget FitzGerald vorstellen?« Ich nickte meinen beiden Gesprächspartnern zu. »Andrew und Serena Summers …« Ich verbesserte mich sofort. Dieser Name stimmte nicht mehr, da Andrews Vater gestorben war und er nun den Titel trug. »Pardon. Andrew und Serena Belton.« Serena lächelte und schüttelte Bridget die Hand, aber Andrew sah aus irgendwelchen Gründen ziemlich beleidigt drein und wandte sich wieder dem Feuerwerk zu. Erst führte ich seine Reaktion auf meinen Namensfehler zurück,
aber dann beschlich mich der schreckliche Verdacht, dass er womöglich Anstoß daran nahm, einer rangniedrigeren Unbekannten nicht als »Lord Belton« vorgestellt worden zu sein.
Serena plauderte munter weiter, als wäre die Flegelhaftigkeit ihres Gatten für sie ganz normal – vielleicht war sie es ja auch. »Meine Tochter Mary. Und mein Sohn Peniston. « Diese Vorstellung galt allein Bridget. Ich grüßte lächelnd; Mary erwiderte meinen Gruß sehr freundlich, und auch Peniston streckte mir die Hand entgegen. Beide wussten ganz klar, wer ich war, und meine Freude darüber war fast schon mitleiderregend. Serena lächelte ebenfalls, sie genoss es sichtlich, ihre Kinder um sich zu haben. »Wann hast du
Weitere Kostenlose Bücher