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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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musst unbedingt mal nach Waverly kommen.«
    »Gerne. Bis dahin alles Gute und viel Glück!«
    Unsere Wangen berührten sich flüchtig, dann wandte ich mich ab. Kaum war ich ein paar Schritte vom Eingangsportal entfernt, hörte ich Andrew entrüstet fragen: »Viel Glück wobei? Was soll das denn heißen?« Ich gestehe, die Versuchung war zu groß; ich schlich zurück und verharrte ungesehen in Türnähe.
    »Das soll gar nichts heißen. Einfach viel Glück, weiter nichts.« Serenaklang beherrscht und geduldig, als wollte sie ein herumtänzelndes Pferd, einen verspielten Hund beruhigen. »Viel Glück im Leben.«
    »Was für eine absonderliche Bemerkung.« Er räusperte sich, wohl, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Ich bin ganz schön überrascht, dass er sich so aufspielt und du ihn so herzlich empfängst, als wäre nichts gewesen.«
    »Du liebe Zeit!« Sie waren jetzt allein, glaubten es zumindest, denn Serenas Ton war nicht mehr ganz so vorsichtig. »Seit dem Abend damals haben wir den Zusammenbruch des Kommunismus erlebt, der Balkan ist in Flammen aufgegangen, und auch von der britischen Lebensart ist nicht mehr viel übrig. Wenn wir das alles überlebt haben, können wir sicher auch dieses unselige Dinner vor vierzig Jahren vergessen, da waren wir doch alle betrunken…« Aber da zupfte mich Bridget mit einem vorwurfsvollen Blick am Ärmel; ich musste mich losreißen und war bald außer Hörweite.
    Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, wie vor allem in der Oberschicht, vielleicht aber auch in anderen Teilen der Gesellschaft überaus kluge Frauen mit strohdummen Männern zusammenleben können, ohne dass die Männer je die Opfer bemerken, die ihre Frauen tagtäglich erbringen.

    »Das war ein unglaubliches Erlebnis«, sagte Jennifer, als wir im Schneckentempo durch die Tore und zurück zur Hauptstraße fuhren. »Was für ein Glück, dass wir dich dabeihatten. Findest du nicht auch, Tarquin?«
    Ich erwartete keine Antwort, da ihn die Überlegenheit eines anderen fast körperlich schmerzen musste. Vor allem eine Überlegenheit in seinem höchsteigenen Möchtegern-Königreich. Aber Jennifer durchbohrte ihn mit Blicken, bis sie ihm eine widerwillige Reaktion entrang. Er grunzte etwas wie »war ganz gut«, genau konnte ich ihn nicht verstehen.
    Tarquins Neid und Bridgets Gram mischten sich zu einem Pesthauch grollender, verletzter Wut, aber Jennifer gab sich noch nicht zufrieden. »Ich fand sie wahnsinnig nett. Und man sieht, dass sie dich sehr gernhaben.«
    »Er hat jedenfalls sie sehr gern. Oder einige von ihnen. Stimmt’s, Darling ?« Bridgets Beiträge in solchen Momenten waren das verbale Äquivalent einer Säureattacke. Die Kehrseite der Erinnerung, was Liebe ist, war natürlich die klare, mir nun regelrecht aufgezwungene Erkenntnis, was Liebe nicht ist. Was immer mich mit Bridget verband, Liebe war es nicht. Diese Erkenntnis hatte ich bereits kommen sehen und meinem alten Vater gegenüber auch schon angedeutet. Aber ich glaube nicht, dass ich vor jenem Abend in Gresham begriffen hatte, wie unmittelbar das Ende bevorstand. Dass Bridget stinksauer war, konnte ich ihr nicht verdenken. Diese intelligente, attraktive Frau musste sich zum wiederholten Mal damit abfinden, Jahre ihres Lebens vergeudet zu haben. Diesen Fehler hatte sie ja schon mehr als einmal gemacht, und bis zum heutigen Abend hatte ich stets ihre Ansicht geteilt, die besagten Männer seien miese Schurken gewesen, die an ihr festgehalten hatten, obwohl sie längst wussten, dass die Beziehung nicht von Dauer sein würde. Sie hatten Bridget hingehalten, bis sie ihr die Zukunft geraubt hatten und die Kinder, die sie nun niemals haben würde. Aber im Dunkel des Wagens, auf den Landsträßchen Yorkshires erkannte ich plötzlich, dass sie doch keine miesen Schurken waren, sondern einfach nur egoistische, unsensible, gedankenlose Idioten. Typen wie ich. Und ab nun würde ich dieselbe
Schuld mit mir herumtragen und wäre mitverantwortlich für die gar traurige Geschichte der Bridget FitzGerald.
    Erst in unserem eiskalten, feuchten Zimmer begann sie wieder zu reden. Sie zog sich mit jenen kantigen, rachsüchtigen Bewegungen aus, die mir so vertraut waren, und richtete über die Schulter wütend das Wort an mich. »Das Ganze ist vollkommen lächerlich.«
    »Welches Ganze? Da ist doch gar nichts.«
    »Da hast du verdammt recht. Sie hat überhaupt kein Interesse an dir. Null«, sagte sie spitz, mit einer prickelnden Boshaftigkeit, als wäre es ihr

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