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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Kluft zwischen beiden Welten bleibt bestehen, allerdings hält sich diesmal die andere Seite bescheiden zurück und gesteht stillschweigend ein, dass hoher Rang manche Menschen, die sich anderen Werten verschrieben haben, nicht unbedingt beeindruckt.
    »Ihr verpasst ja alles.« Andrews Stimme verdarb uns unser fröhliches Geplauder, und wir wandten uns pflichtschuldig wieder dem Feuerwerk zu. Zisch, knall, ooh. Zisch, knall, ooh. Am Schluss des Spektakels hätte eindrucksvoll das Gresham’sche Wappen aufflammen sollen, ein aufgerichteter Löwe, der eine Flagge hält. Das klappte nicht ganz, da der Kopf des Löwen nur teilweise zünden wollte und das Bild damit etwas leicht Makabres bekam. Dennoch sorgte es für ein einigermaßen grandioses Finale. Damit war das Ereignis beendet, und für alle Gäste drinnen und draußen, die nicht über Nacht blieben, wurde es Zeit für einen zügigen Abgang. Ich suchte im Gewühl unsere Gastgeber, um ihnen zu danken und mich zu verabschieden.
    Lady Claremont lächelte mit blitzenden Augen. »Wir müssen Sie unbedingt wieder herlocken. Wenn Sie die Zeit erübrigen können.«
    »Ich bin ja auch dieses Wochenende da; Sie sehen, ich kann also durchaus etwas Zeit erübrigen.«
    »Ach ja, richtig. Sie sind bei diesen komischen Leuten, die Malton Towers übernommen haben.« Die Wendung ›diese komischen Leute‹ verriet alles über Tarquins Chancen, Kontakte zum hiesigen Adel zu knüpfen. »Eine von Henrys Urgroßmüttern ist in Malton aufgewachsen. Vor dem Krieg ist er öfter dort gewesen. Aber du hast es immer schrecklich gefunden, nicht wahr?« Sie sah ihren betagten Gatten an.
    Er nickte. »Verdammt kalt dort – das kälteste Haus, das ich jemals betreten habe. Kaltes Essen, kalte Bäder, alles kalt. Ich habe dort nie ein Auge zugetan.« Es war seiner Lordschaft anzusehen, dass er genug von diesem endlosen Abend hatte und sich nach seinem Bett sehnte; trotzdem fuhr er fort: »Die sind völlig verrückt, dass sie sich einen so alten Kasten aufhalsen. Der hat schon meine Cousins ruiniert und jede Organisation, die nach ihnen kam. Wenigstens hatten meine Verwandten noch das Land, aber nicht einmal das hat genug eingebracht. Ihre Freunde hingegen haben nur ein Fass ohne Boden gekauft.« Das klang für mich nach einem ziemlich präzisen Lagebericht und zugleich seltsam beruhigend. Wenn man zusieht, wie die Tarquins dieser Welt ihre letzten Groschen ausgeben, um Hirngespinsten von pseudo-aristokratischem Leben nachzuhängen, vergisst man leicht, dass es immer noch Leute gibt, für die solche Schlösser ganz normale Behausungen sind, die ein ganz normales Leben ermöglichen sollten. Wenn sie unbequem sind, sind sie eben unbequem, basta. Daran kann noch so viel Stuck oder das berühmte Schnitzwerk von Grinling Gibbons oder der Geist von Maria Stuart im Ostflügel nichts ändern. Lord Claremonts vernichtendes Urteil über Malton Towers hatte etwas herzerfrischend Bodenständiges, bestätigte meine eigenen Erfahrungen und erlaubte es mir, den letzten Rest von Ehrfurcht abzustreifen. Mit einer kleinen Verbeugung zog mich zurück.
    Ich entdeckte Serena in der Eingangshalle, umgeben von ihrer Familie und im Gespräch mit Helena, die ein gutes Stück älter aussah als ihre große Schwester. Auch Helena begegnete mir sehr freundlich, küsste mich zum Abschied und wünschte mir alles Gute, während ich den Gegenstand meiner langjährigen, unerwiderten Leidenschaft anlächelte. Im Nachhinein kann ich mir nicht erklären, warum Serenas Anblick mich an jenem Abend nicht traurig stimmte, wie es leicht hätte sein können, sondern im Gegenteil wunderbar beflügelte. Ich fühlte mich herrlich, schwindlig, trunken oder, im Idiom der Siebzigerjahre, total high , als ich daran erinnert wurde, wie sehr ich einmal hatte lieben können. Im Grunde immer noch liebte. In meiner Brust begannen sich Muskeln zu regen, die mangels Gebrauch verkümmert waren.
    »Es war sehr schön, dich wiederzusehen«, sagte Serena und klang tatsächlich so, als meinte sie es auch.

    »Es war mir ein besonderes Vergnügen«, erwiderte ich mit einer seltsam ruhigen, fast kühlen Stimme, obwohl meine Empfindungen Serena gegenüber alles andere als kühl waren, im Gegenteil. Ich kann dies nur damit erklären, dass ein Engländer meiner Generation sich immer hüten wird, seine wahren Gefühle preiszugeben. Das wurzelt tief in seinem Wesen, dagegen kann er nicht an.
    Wieder lächelte sie engelsgleich. »Wir sind alle Fans von dir. Du

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