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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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unangenehme Gefühl, dass ich mich Damian völlig ausgeliefert hatte und ihm nicht etwa einen Gefallen tat, sondern von ihm gekauft worden war. Natürlich wurde ich nicht bezahlt, hatte aber wider besseres Wissen diese beleidigende Kreditkarte akzeptiert und mich damit zu seinem Untergebenen gemacht, was ich sofort hätte erkennen sollen. Ich hatte meinen eigenen Grundsatz gebrochen, der da lautet, wenn man sich schon kaufen lässt, dann nur für sehr viel Geld. Wenn man aber eine Aufgabe übernimmt, weil man sich ihr nicht entziehen kann, dann bitte ganz umsonst. Aus reiner Herzensgüte … Aber Damian hatte mich ausgetrickst und stand als der moralisch Überlegene da. Ich tat kein gutes Werk mehr, sondern führte einen Auftrag aus. Ein gravierender Unterschied.
    Da ich eine harte Arbeitswoche vor mir hatte, verabredeten wir uns erst für Sonntagnachmittag. Wieder nahm ich den Zug nach
Surrey, wieder wurde ich vom Chauffeur mit der makellosen Livree abgeholt, doch bei meiner Ankunft in Damians Welt traute ich meinen Augen kaum: In Damians Park wurde ein Dorffest gefeiert. Die Autos parkten zwar auf einer Wiese weiter unten an der Straße, und die Stände waren abseits der oberen Rasenterrasse aufgebaut, ein gutes Stück vom Haus entfernt, dennoch vertrug sich das Ereignis schlecht mit meinem Bild von Mr. Baxter, dem ich solche philanthropischen Aktivitäten nicht zugetraut hätte. Als ich ausstieg, bestätigte Bassett: »Ja, Sir. Im Sommer findet bei uns das Dorffest statt, zwei Tage lang. Zugunsten der katholischen Kirche St. Teresa. In Guildford.«
    »Ist Mr. Baxter denn katholisch?« Der Gedanke wäre mir nie gekommen. Nicht, dass ich etwas gegen Katholiken habe. Aber ich konnte mir Damian nur schwer als Anhänger einer Religion vorstellen.
    »Ich glaube schon, Sir.«
    »Und er veranstaltet das Fest jedes Jahr?«
    »So ist es, Sir. Seit er hier wohnt.« Ich wurde zur Bibliothek geführt und bemühte mich, mein zynisches Staunen zu verbergen. Als ich eintrat, wurde mir sofort klar, warum ich herbestellt worden war. Damian lag im Sterben. Das war natürlich auch bei meinem letzten Besuch schon so gewesen, aber man kann dem Tod nahe sein, ohne dass er einem ins Gesicht geschrieben steht. Auf den ersten Blick sah Damian aus, als wäre er bereits tot.
    Hingestreckt, mit geschlossenen Augen lag er auf seiner Chaiselongue. Und hätte ich nicht das schwache Heben und Senken seiner ausgezehrten Brust wahrgenommen, dann hätte ich wirklich geglaubt, ich sei zu spät gekommen. Er muss mein Erschrecken wohl gespürt haben, denn er schlug die Augen auf und stieß ein kurzes, heiseres Lachen aus. »Ruhig Blut«, schnaubte er. »Es geht mir nicht ganz so schlecht, wie ich aussehe.«
    »Da bin ich aber erleichtert«, sagte ich. »Denn schlimmer könntest du nicht aussehen.«
    Das heiterte ihn natürlich auf. Er läutete nach dem Butler, und als der stets wachsame Bassett den Kopf durch die Tür streckte, deutete
er in seiner zögerlichen Art an, dass ein wenig Tee nicht unwillkommen wäre. »Bleibst du über Nacht?«, fragte er, als Bassett mit seinem Auftrag fortgeeilt war.
    »Eher nicht. Ich wollte die Suche morgen fortsetzen und sollte sie wohl auch nicht aufschieben.«
    »Nein. Um Himmels willen schieb nichts auf, was auch immer.« Dabei zog er die Augenbrauen hoch und bog so diesen Hinweis auf sein baldiges Ableben ins Scherzhafte ab. »Na, wie bist du vorangekommen? «
    Ich erzählte von Lucy und Dagmar. »Sie scheinen dich ja sehr zu mögen. «
    »Jetzt tu doch nicht so überrascht.«
    Das war genau der springende Punkt: Ich war überrascht, traute mir aber nicht zu, dies in annehmbare Worte zu kleiden. Deshalb versuchte ich es gar nicht erst, sondern richtete ihm nur treu und brav Lucys und Dagmars liebevolle Grüße aus. »Ich wusste gar nicht, wie gut du sie gekannt hast.«
    »Du wusstest vieles nicht.« Er wartete, vielleicht auf meinen Widerspruch, doch ich blieb stumm. »Ach, die arme kleine Dagmar.« Er stieß einen komödiantischen Seufzer aus, mit dem er mich einlud, seine Sicht von ihr als hoffnungslosem Fall zu teilen. Aber nach meinem Besuch neulich hätte ich das als Verrat empfunden, deshalb widerstand ich der Versuchung. Er fuhr unbeirrt fort: »Sie hätte wahrscheinlich 1850 zur Welt kommen, in Ferntrauung einen deutschen Großherzog ehelichen und ein Leben nach dem Hofzeremoniell führen sollen. Diese Rolle hätte sie ausgezeichnet ausgefüllt, zweifellos heißgeliebt von ihren getreuen Untertanen, die

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