Eine Klasse für sich
persönliches Werk, dass Serena mich nicht liebte, eine echte Leistung, auf die sie stolz sein konnte.
»Nein. Hat sie wohl nicht.«
»Null!«, wiederholte sie eine Stufe lauter und schärfer. »Das sieht doch jeder Blinde. Sie konnte sich kaum daran erinnern, wer du bist.« Das zielte meiner Meinung nach unter die Gürtellinie, aber ich beschloss, auf Gegenwehr zu verzichten. Stattdessen setzte ich auf einen waidwunden Blick. Reine Zeitverschwendung. Bridget war jetzt voll in Fahrt und ließ sich nicht davon beeindrucken, ob ich mich ungerecht behandelt fühlte oder nicht. »Sie wird ihn nie verlassen. Das bildest du dir hoffentlich nicht ein.«
»Nein.«
»Und selbst wenn? Wieso glaubst du, dass sie jemals mit einem armseligen kleinen Depressiven wie dir zusammenleben will?«
»Das glaube ich ja gar nicht.«
»Das würde sie nie tun. Nicht in einer Million Lichtjahren.«
»Ganz deiner Meinung.«
»Alle Privilegien aufgeben? Ihre gesellschaftliche Position? Ein Abstieg der Countess of Belton zu Mrs. XY? Nie im Leben.«
Einen Augenblick lang war ich versucht, sarkastisch darauf hinzuweisen, dass sie in diesem Fall korrekterweise als »Lady Serena XY« zu betiteln wäre, besann mich aber eines Besseren. »Das ist wohl unwahrscheinlich«, sagte ich.
»Das kannst du laut sagen. Dieser Typ Frau würde das nie tun.«
»Ach, sie ist ein Typ ? Wie erfreulich. Da muss ich mich nach weiteren Exemplaren umsehen.«
»Ach, leck mich doch am Arsch.« Das hatte ich verdient.
Aber bis ich mich ebenfalls ausgezogen hatte und wir beide in unserem hässlichen geschnitzten Bett unter unseren viel zu dünnen Decken zitterten, hatte sie sich wieder beruhigt. Bis jetzt hatte mich ihr Zorn vor Schuldgefühlen bewahrt, aber so leicht sollte ich nicht davonkommen. Gerade als ich das Licht ausknipsen wollte, senkte sie ihr Buch und sah mich an. »Was habe ich falsch gemacht?« Ihre Stimme war wieder ganz sanft, und der weiche irische Akzent, den ich immer so betörend gefunden hatte, berührte mich schmerzlich. Ach, es war mir immer zuwider, andere zu verletzen.
Ich schüttelte den Kopf und lächelte sie, wie ich hoffe, warmherzig an, bei diesen Temperaturen eine echte Herausforderung. »Es ist nicht deine Schuld«, antwortete ich in einem, wie ich fand, gebührend aufrichtigen Ton. »Du hast nichts falsch gemacht. Es liegt nicht an dir, sondern an mir.« Diese so vertrauten Sentimentalitäten, vor allem diesen abgedroschenen letzten Satz hält man gern für den Ausdruck edler, großzügiger Gefühle. Dass man die »Schuld« für das Versagen »auf sich nimmt«, die »Verantwortung schultert« und so weiter. Das ist natürlich geheuchelt, wie einem jeder professionelle Herzensbrecher sagen könnte – und irgendwann brechen wir fast alle ein Herz. Diese Phrasen sind träge Kürzel, mit denen wir die Beschimpfungen, die uns an den Kopf geschleudert werden, abwürgen und die Diskussion so rasch wie möglich beenden wollen.
Bridget war vollkommen zu Recht der Ansicht, dass sie mehr als diese feige, verlogene Antwort verdiente. »Bitte«, sagte sie. »Es ist mir ernst damit.« Ihr Ton ging mir nun doch unangenehm nahe. »Hätte ich irgendetwas tun können, um unsere Beziehung zu verbessern?«
Ich sah sie an und entschied mich für eine ehrliche Antwort. »Du hättest glücklicher sein können.«
Sie fuhr auf. »Du hättest mich glücklicher machen können.«
Ich nickte militärisch knapp. »Ganz genau«, sagte ich. Damit hatten wir nun beide das Gefühl, absolut im Recht zu sein. Ich machte das Licht aus und wir taten, als ob wir schliefen.
Joanna
9
Am Montag nach unserer Rückkehr aus Yorkshire erhielt ich einen weiteren Anruf von Damian. Das heißt, durch den Hörer grüßte mich Bassetts unaufdringliche Stimme. »Mr. Baxter lässt fragen…« Er zögerte etwas, und ich überlegte, was Damian sich wohl Unzumutbares ausgedacht hatte, doch die Antwort fiel gnädig aus: »Ob Sie vielleicht kommen könnten.«
Ich wollte meinen Misserfolg lieber gleich eingestehen, auch wenn sicher niemand glaubte, dass ich eine größere Entdeckung verschwiegen hätte. »Ich fürchte, ich habe noch nicht viel vorzuweisen.«
Bassett schien nichts anderes zu erwarten. »Das weiß Mr. Baxter, Sir. Er nahm an, er hätte sonst von Ihnen gehört. Aber er würde sich trotzdem gern berichten lassen.«
Bassett konnte noch so sanft säuseln – fraglos rechnete er umgehend mit meiner Zusage. Da schrillten bei mir die Alarmglocken, ich hatte das
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