Eine Klasse für sich
herrscht ein unverwüstlicher Optimismus, und nach einer längeren Phase britischer Schwarzseherei tut der Blick auf die Sonnenseiten des Lebens gut. Ich weiß, dass die Einheimischen dabei gerne übertreiben, dennoch ist dieses entschieden Lebensbejahende ein Elixier für melancholische Gemüter, und ich bin immer gerne dort.
In den vierzig Jahren, die zwischen meiner Jugendfreundschaft mit Terry Vitkov und unserer Wiederbegegnung lagen, war ihr Leben recht durchwachsen gewesen. Schon ihre Londoner Zeit war nicht nach Plan verlaufen. Sie und ihre Mutter hatten sich alles in allem wacker geschlagen, aber Terry war keine Viscountess geworden, keine Herrin über ein Zwanzig-Zimmer-Haus, das der Öffentlichkeit zur Besichtigung offen steht, was sie zweifellos angepeilt hatten. Sicher waren sie enttäuscht. Im Nachhinein glaube ich, die Vitkovs hatten den landläufigen Fehler begangen, ein hohes Gehalt mit wirklichem Reichtum zu verwechseln. Solange ein solches Gehalt
regelmäßig auf unserem Konto eingeht, ermöglicht es uns ein angenehmes Leben. So weit, so gut, aber es ändert nichts an unserer gesellschaftlichen Position, was niemand besser weiß als die britische Oberschicht. Natürlich hätte nichts davon eine Rolle gespielt, wenn sich ein netter junger Mann in Terry verliebt hätte, aber mit ihren groben Gesichtszügen, den großen Zähnen und dem lauten Lachen war sie eine herbe Person mit wenig Sinn für Humor und einer unverhohlenen Gier, die sogar Materialisten abstieß. Kurz, es gelang ihr nicht, Beute zu machen. Eine Weile war ein Major im Gespräch, der wahrscheinlich den Baronet-Titel eines alternden Onkels erben würde. Doch der junge Offizier bekam es mit der Angst zu tun und floh in die Arme einer Richterstochter aus Rutland. In manchem hätte er es mit Terry vielleicht besser getroffen, da sie zumindest das Haus mit Menschen gefüllt hätte, die Konversation zu machen verstanden, aber wie lange hätte sie es nach dem Erbe des Titels ertragen, ein Landleben mit verregneten Spaziergängen und Pferdegesprächen über Waldbeeren der Saison zu führen? Der Weg, den der Major eingeschlagen hatte, war zwar lang weiliger, wahrscheinlich aber für ihn auf die Dauer weniger anstrengend.
Ich bin ziemlich sicher, dass ich Terry etwa um die Zeit des Portugalurlaubs zum letzten Mal gesehen hatte, aber nicht, weil sie dort gewesen wäre. Sie ärgerte sich, dass man sie nicht eingeladen hatte. Hätte ich nur dieses Glück gehabt! Vielleicht war sie damals schon schwanger; wir wussten nur, dass ein amerikanischer Millionär um sie warb, ein nicht sonderlich attraktiver, aber sehr um sie bemühter junger Mann. Sie heiratete ihn rechtzeitig vor der Geburt ihres Babys. Dieser Millionär, Greg XY, arbeitete damals in Osteuropa. Von dort kehrten sie ins sonnige Kalifornien zurück, wo er eine leitende Position bei Merrill Lynch übernahm; danach verloren wir sie aus den Augen. Auch wenn ich ihn nie näher kennenlernte, war er mir recht sympathisch; nach unseren wenigen Begegnungen fand ich, dass er viel besser zu ihr passte als alle ihre englischen Beaus. Und hätte ich je an die beiden gedacht, dann hätte ich ihnen viele Jahre Eheglück gewünscht, bis dass der Tod sie schied. Leider versuchte Terry zehn Jahre später, so hieß es zumindest, Greg gegen einen
viel reicheren Banker aus Connecticut auszuwechseln, der sie jedoch bald wegen eines Models sitzen ließ – im Regen, da ihr erster Mann inzwischen eine neue Familie gegründet und sich in North Virginia niedergelassen hatte.
Terry war mit ihrer Tochter in Los Angeles geblieben, wo sie eine Stelle beim Fernsehen fand. Angeblich moderierte sie sogenannte Infomercials, wo Frauen ganz natürlich und absichtslos über Haarpflegeprodukte, Küchenutensilien oder verschiedene Koffermodelle plaudern. Als ob es ihnen auch nur ein Mensch abnähme, dass sie solche Gespräche führten, ohne einem etwas verkaufen zu wollen.
Ich hatte von London aus angerufen, um mich zu vergewissern, dass Terrys Adresse noch stimmte, und sie ließ sich schnell für ein Treffen erwärmen. Ich wusste, dass sie für Karitatives nicht viel übrig hatte, deshalb erzählte ich ihr, ein Filmstudio habe Interesse an meinem neuesten Buch angemeldet, und wie vorauszusehen sprang sie gleich darauf an. »Das ist ja großartig!«, trällerte sie. »Du musst mir alles ausführlich erzählen!« Ich hatte ein bisschen recherchiert und schlug vor, am Abend meiner Ankunft in Santa Monica essen zu gehen, in
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