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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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nachdem sie uns in den Schatten gescheucht hatte, einen unschuldigen Taxifahrer anhalten konnte, der keine Ahnung hatte, worauf er sich einließ.
    »Wo bringen wir ihn hin?«, zischte sie über die Schulter, und sogar ich sah ein, dass Damian für die Claremonts auf nüchternen Magen ein ziemlich unverdaulicher Brocken wäre. Er hatte wohl ursprünglich geplant, nach ein, zwei Tassen Kaffee zurück nach Cambridge zu fahren – das machten wir oft, muss ich errötend gestehen. Aber davon konnte natürlich keine Rede sein.
    »Zu mir. Wetherby Gardens«, sagte ich. Meine Eltern waren da, aber nach den neunzehn Jahren mit mir auf solche Eskapaden nicht ganz unvorbereitet. Serena nannte dem Fahrer die Adresse, stieg hinten ein und schob sich in die äußerste Ecke. Georgina und ich flitzten mit Damian übers Pflaster und tauchten schnaufend und seufzend ins willkommene Dunkel des Taxis, und Lucy quetschte sich auch noch dazu. Damit war das Taxi hoffnungslos überladen, aber darüber machten wir uns genauso wenig Gedanken wie der Fahrer oder die Behörden. Noch war nicht alles und jedes der staatlichen Kontrolle unterworfen, aber damit lebte es sich entschieden besser als heute. Natürlich haben wir uns manchmal gewissen Risiken ausgesetzt, worüber Kontrollfanatiker den Kopf schütteln mögen. Aber die Freiheit zu opfern, um jegliche Gefahr zu vermeiden, ist ein Vorbote der Diktatur und immer ein schlechter Tausch.

    »Sollen wir ihm die Hose anziehen?« Serena hatte das flatternde Ding die ganze Zeit mitgeschleppt. Wir blickten alle auf Damian hinunter, der sich zusammengerollt hatte wie ein Baby, und vor der gewaltigen Aufgabe verließ uns der Mut.
    »Das lassen wir lieber«, sagte Lucy entschieden.
    »Deine armen Eltern sind wohl noch wach?«, fragte Georgina.
    Mit einem entschlossenen Blick bekräftigte ich meine Entscheidung. »Die sind stark«, sagte ich. »Die halten das schon aus.« Das Taxi fuhr los, zurück zur Euston Road, wo immer noch Polizei stand, eine ganze Flotte von Streifenwagen und Kleinbussen. Und, damals noch selten, jede Menge gezückter Kameras: Gnadenlos blendeten sie mit ihrem Blitzlicht die armen Teufel, denen am nächsten Tag eine höchst unwillkommene Berühmtheit blühte.
    Stoisch und gelassen standen meine Eltern in ihren Morgenröcken da und blinzelten auf Damian hinunter. Er war in einem Sessel zusammengesackt, immer noch mehr oder weniger im Adamskostüm, die zerknitterte Hose wie eine Opfergabe zu Füßen. »Er wird in deinem Zimmer auf dem Boden schlafen müssen.« Die Stimme meiner Mutter duldete keinen Widerspruch. »Ich habe hier morgen früh um zehn eine Ausschusssitzung, und keiner garantiert mir, dass er bis dahin aufgestanden ist.«
    »Nein«, sagte ich. Gemeinsam zerrten wir Damian den Gang entlang, deponierten ihn auf ein gefaltetes Federbett und legten ein paar Wolldecken über ihn.
    »Wo sind seine übrigen Kleider?«, fragte meine Mutter. Ich sah sie verständnislos an. »Sein Hemd und so weiter.«
    »Wahrscheinlich bei Madame Tussaud’s.«
    »Dort sollte er sie auch lassen.« Sie sprach, fand ich, mit unnötiger Strenge. »Er hätte euch alle in große Schwierigkeiten bringen können.«
    »Daraus kannst du ihm keinen Vorwurf machen«, sagte ich, »es war ja nicht seine Schuld.« Aber meine Mutter beachtete meinen Verteidigungsversuch gar nicht, ein Verhalten, das ihr und vielen ihresgleichen gewissermaßen im Blut lag. Findet ein Freund ihrer Kinder dank seiner gesellschaftlichen Stellung ihre Billigung, werden sie
das nie zugeben, aber für jedes noch so schlechte Benehmen tausend Entschuldigungen finden. Wenn sie ihn aber nicht gutheißen, wieder mehr aus gesellschaftlichen als aus gewichtigeren Gründen, werden sie das genauso wenig zugeben, aber alles an diesem ungeliebten Freund schlechtmachen. Dasselbe Phänomen ist bei Wegbeschreibungen zu beobachten. Finden die Eltern die Teilnahme an einem bestimmten Ereignis wünschenswert, dann ist der Weg dorthin »kinderleicht, einfach ein Stück die M4 entlang, und schon bist du da«. Aber wenn ihr Sprössling ihrer Ansicht nach der Veranstaltung lieber fernbleiben sollte, wird ein und dieselbe Fahrt »absolut endlos. Du zockelst ewig auf der M4 dahin, und nach der Ausfahrt musst du durch ein Labyrinth von Landsträßchen und Dörfern. Das ist die Sache gar nicht wert.« Meine Mutter war kein Snob im herkömmlichen Sinn und hätte einen solchen Vorwurf entrüstet von sich gewiesen, nahm aber durchaus Anstoß, wenn sie

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